Gedrechselte Geländerstäbe von Farbe befreien

Sandel

ww-pappel
Registriert
1. April 2009
Beiträge
2
Einen schönen guten Tag,

ich möchte eine sehr alte Treppe mit schönen, gedrechselten Geländerstäben aufarbeiten, habe aber nicht wirklich eine Idee, wie ich da am besten vorgehe ...

Die Stäbe sind derzeit mit diversen Farb- bzw. Lackschichten der letzten hundert Jahre bedeckt ... Und am liebsten möchte ich diese Schichten so sauber runter bekommen, dass ich die Geländerstäbe danach ölen und ansonsten "pur" belassen kann ...

Hat jemand einen Tipp für mich?

Hoffnungsvolle Grüße,
Sandel
 

edelres

ww-robinie
Registriert
16. November 2003
Beiträge
2.619
Ort
Redwood City, Kalifornien USA
Geduld Geduld Geduld

Hallo Sandel,

ich moechte sagen, dass dies relativ leicht geht, wenn du die dafuer notwendige Geduld aufbringen kannst.

Ich gehe bei einer solchen Arbeit folgendermassen vor:

Die Umgebung der Arbeitsstelle decke ich zu beiden Seiten ca 1 m weit mit mehreren Lagen Zeitungspapier ab. Das Zeitungspapier decke ich mit Plastikfolie welche die Maler zum Abdecken benutzen, ab. Die Folie fixiere ich mit Tesakrepp, so das diese sich nicht verschieben kann.

Ich benutze einen chemischen Abbeizer, diesen stupfe ich mit einem Naturborsten Pinsel ca 3mm dick auf. Ich bedecke 5 Staebe mit Abbeizer, wenn ich den fuenften Stab mit Abbeizer bedeckt habe, probiere am ersten Stab ob und wie weit sich die Farbe loest. Geht die Farbe leicht ab, entferne ich Abbeizer mit geloester Farbe, wenn nicht warte ich fuenf Minuten. Ich mache mir aus duenner Plastik oder steifem Karton, eine Art Schaber, in die Vorderkante schneide ich eine Rundung dem Spindeldurchmesser entsprechend. Damit nehme ich die geloeste Farbe ab und gebe die abgeloesten Reste in ein Plastik/Glasgefaess. Nun Stupfe ich wieder Abbeizer auf die Spindel und tue das gleiche an Spindel 2 usw.

Wichtig ist dabei den Abbeizer die Arbeit des Abloesens der Farbe zu ueberlassen, auf keinen Fall Gewalt oder scharfe Werkzeuge zum entfernen der geloesten Farbreste.
verwenden.

Ist auf diesem Weg die meiste Farbe entfernt, reibe ich die Staebe mit einem groben Schleifvlies oder Stahlwolle Nr. 2 ab. Das Schleifvliess tauche in in eine 1:1 Mischung aus Azeton(oder Nitrolackverduenner) und Testbenzin( oderTerpentinersatz)mit Papierhandtuechern nehme ich die Reste ab. Dies wiederhole ich bis das Holz klar aussieht.

Meist sind in Rillen oder entlang Kanten Farbreste verblieben,
diese loese ich,wie weiter unten erklaert wird ab.

Bei der Auswahl des Abbeizers, in einem Farbgeschaeft beraten lassen. Der Abbeizertyp wurde frueher Benzinlauge genannt weil mit Testbenzin nachgewaschen wurde. Auf keinen Fall soll der Abbeizer Natriumhydroxid (Aetznatron) enthalten.

Auf diese Weise habe ich einige Treppengelaender auf Naturholzfarbe gebracht.

Wichtig ist es dabei die Geduld nicht zu verlieren.

Bei sauberem Arbeiten ist kein Schleifen notwendig. Vorsicht eine geschliffene Stelle sticht sofort heraus, dann muessen alle Staebe geschliffen werden, das Ergebnis ist eine farblich unregelmaessige Oberflaeche, weil es kaum moeglich ist jeden Stab gleichmaessig zu behandeln.

Das abgenommene Abbeizer/Farbgemisch, kan nochmals verwendet werden und arbeitet besser als frischer Abbeizer. Ich verwende diese Reste z. B. ueberkopf, da tropft nichts ab. Die Abbeizer/Farbreste hebe ich in einem Deckelglas auf, bei der naechsten Arbeit vermische ich diesen mit frischem Abbeizer, diese Masse stupfe ich in Rillen usw und lasse den Abbeizer lange einwirken, damit laesst sich auch die Farbe in den Rillen loesen. Mit einer groben Schnur reibe ich die Rillen aus.

Rechne mal fuer jeden Stab 1 Stunde und arbeite nicht an zuvielen auf einmal. Z.B. 5 Staebe, erst dann weitermachen.

Unbedingt vermeiden, dass der Abbeizer auf der Oberflaeche antrocknet, dies fuehrt auch zu schwer entfernbaren Flecken.

Ein weiterer fuer mich sehr wichtiger Vorteil der beschriebenen Arbeitsweise, ist der dass der gleichmaesige Altersfarbton des Holzes erhalten bleibt, z. B. bei deiner Treppe ist das ein einheitlicher Farbeindruck, welcher bei jeglicher Benutzung von Schleifpapier verschwindet.

Die Staebe wurden bei ihrer Herstellung besser geschliffen als dies heute im eingebautem Zustand moeglich ist.

Sind evtl einige Rauhe stellen vorhanden, reibe ich diese mit dem zweiten Oelauftrag mit Gefuehl ab.

Wichtig diese Arbeiten nur bei guter Belueftung/Durchzug ausfuehren, oder/und eine fuer den Abbeizer wirksame Atemfiltermaske benutzen.

Die Fehler welche beim Abbeizen gemacht werden, fallen beim spaeteren Finish verstaerkt auf. Dies ist in der Restaurierung, eine Arbeit nicht zu meinen Lieblingsbeschaeftigungen zaehlt, doch ich fuehre diese selbst aus, weil selten jemand auch gegen Bezahlung die noetige Geduld fuers detail aufbringt.

Auf deinen Fall bezogen, nach dem 6. Stab arbeitest du genauso schnell wie ich.

Da faellt mir noch ein wenn die Arbeitsstelle verlassen wird Schuhe ausziehen und im freien reinigen,
sonst aetzt der Abbeizer das Sohlenmuster auf den Boden usw. Bei der Benutzung von Buersten, das Gelaender hinter den Staeben mit Plastikfolie wie ein Vorhang abdecken, die Borsten schleudern den Abbeizer sehr weit.

Waehrend der Arbeit bis einschliesslich Reinigung des Arbeitsplatzes und der Werkzeuge, Schutzbrille und Gummihandschuhe tragen.

Ich wuensche dir viel Geduld.

Als Gedankenanstoss.

mfg

Ottmar

PS: als Material fuer die Schaber eignen sich Teigschaber, alte Kreditkarten usw, manche Kunststoffe werden vom Abbeizer an/aufgeloest nicht weiterverwenden.

 

Anhänge

  • Abbeizwerkzeuge.jpg
    Abbeizwerkzeuge.jpg
    629,3 KB · Aufrufe: 71

Redfish

ww-kiefer
Registriert
13. April 2005
Beiträge
50
Ort
Kevelaer
Hallo zusammen,

also seit Monaten geistert folgender Satz durch meinen Kopf.

Wie kann man an Edelres einen Stecker anbringen um dieses ganze Wissen zu downloaden? Nicht böse gemeint, aber alle Achtung vor dem Fachwissen. So etwas darf doch nicht verloren gehen.

Gruss

redfish
 

anobium60

ww-robinie
Registriert
9. Januar 2009
Beiträge
924
Ort
Tauberbischofsheim
Ottmar hat ja eigentlich alles BESTENS beschrieben, aber eine Überlegung würde ich noch in Betracht ziehen: Oft sind die Handläufe nur mit einer Schraube schräg von unten in den Antritt- Austrittpfosten geschraubt, und die Geländerstäbe stecken nur in der Wange, bzw. im Handlauf. Diese Schraube ist meistens mit einem Dübel verdeckt. Etwas handwerkliches Geschick vorausgesetzt, könntest du versuchen das Geländer zu zerlegen (falls möglich), die Stäbe dann nummerieren, da manchmal unterschiedlich lang. Und vorher überlegen dass du es hinterher wieder stabil zusammen bekommen musst. Es wäre auf jeden Fall eine sehr große Arbeitserleichterung.
WICHTIG! Falls das Geländer ausgebaut wird, muss wg. der Verkehrssicherheit ein ausreichend stabiles Geländer (Baugeländer) montiert werden, um jegliche Unfallgefahr auszuschliessen
 

WinfriedM

ww-robinie
Registriert
25. März 2008
Beiträge
24.681
Ort
Dortmund
...dann könnte man die Teile auch zum professionellen abbeizen weggeben und hat nicht selber die Sauerei und Chemie im Haus.
 

welaloba

ww-robinie
Registriert
26. August 2008
Beiträge
3.441
Ort
Hofheim / Taunus
Welches Holz?

Hallo, ich würde, bevor ich mir die Abbeizermühe mache, erst mal versuchen rauszufinden, welches Holz bei meiner Treppe zum Vorschein kommt. Immerhin gibt es bei Treppen ebenso wie bei Möbeln welche, die von vornherein zum Anstreichen gedacht waren. Dementsprechend kann unter Umständen optisch wenig ansprechendes Holz rauskommen. Ist aber nur meine unmaßgebliche Meinung.
Gruß Werner
 

Sandel

ww-pappel
Registriert
1. April 2009
Beiträge
2
Guten Morgen,

einen ganz herzlichen Dank für die netten und sehr hilfreichen Antworten - besonders Dir, Ottmar!

Die Stäbe sind tatsächlich derzeit ausgebaut. Ändert dieser Umstand an der grundsätzlichen Vorgehensweise (wie von dir, Ottmar, beschrieben) etwas oder würde ich das dennoch genau so machen (und es etwas leichter haben)?

Oder ist es dann doch sinnvoller, die Stäbe zum Abbeizen wegzugeben?

Ist Abbeizen und Ablaugen das Gleiche?

Beim Ablaugen-Lassen von alten Weichholz-Türen habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, dass deren Oberfläche anschließend sehr rauh war und das Holz in der Tat sehr "ausgelaugt" wirkte - es saugte beim späteren Ölen Unmengen auf ...

Werner, danke auch für deinen Hinweis! Einige Stäbe werden übrig bleiben (und sind auch teilweise beschädigt) - vielleicht schleife ich bei einem davon einfach mal die Farbe so weit wie möglich ab um rauszufinden, wie die Stäbe darunter ausschauen ...

Ich versuche auch mal ein Bild der Stäbe anzuhängen ...

Viele Grüße,
Sandel
 

Anhänge

  • gelaenderstaebe.jpg
    gelaenderstaebe.jpg
    64 KB · Aufrufe: 56

edelres

ww-robinie
Registriert
16. November 2003
Beiträge
2.619
Ort
Redwood City, Kalifornien USA
Abbeizen

Hallo Sandel,

bei ausgebauten Staeben sparst du 60 - 70 % an Arbeitszeit ein, sonst aendert sich nichts an der vorher von mir beschriebenen Vorgehensweise. Ich habe mir fuer solche Staebe eine einfache Vorrichtung gebaut. (Bild im Anhang)

In die Vorrichtung legte ich die Staebe ein und stupfte Abbeizer auf, drehte diese dabei usw, ich achtete darauf, das der Abbeizer gleichmaessig aufgetragen war. Nach kurzer Zeit hatte ich die Einwirkungsdauer vom Abbeizer herausgefunden und gestaltete so den Arbeitsablauf.

Unter meine Vorrichtung, deckte ich alles mit staerkerer Plastikfolie ab, so konnte ich abgetropften Abbeizer mit der Spachtel aufnehmen und weiterverwenden.

Die Staebe sehen nach deinem Bild zu Urteilen sehr schoen aus, es handelt sich um eine sehr gute Drechslerarbeit. Ich bin mir sicher, dass das Holz unter der Farbschicht gut und gleichmaessig aussieht. Zu dem Zeitpunkt der Fertigung dieser Staebe, verhinderte der Stolz des Drechslers eine Verwendung von zweitklassigem Holz.

Abbeizen/Ablaugen, beim Ablaugen, werden auf Oel basierende Lacke/Farben durch Natronlauge verseift und mit Wasser abwaschbar gemacht. Natronlauge loest nicht alle Farbsysteme, z. B. Kaseinfarben, oder bleiweisshaltige Farben koennen damit nicht abgeloest werden.

Die sogenannten Abbeizer, loesen durch chemische Anteile Farbschichten auf. Die Loesungsmittel sind fluechtig (verdunsten schnell) durcht den Zusatz von Stearin wird dies hinauszuzoegert. Aus diesem Grund den Abbeizer nur aufstupfen nicht streichen. Beim darueberstreichen, wird die Wachsschicht geoeffnet und laesst die Wirkstoffe verdunsten.

Es bleibt dir ueberlassen, ob du die Staebe selbst abbeizt oder dies jemandem zu uebergeben. Ich fuehre solche Arbeiten seit fuenfzig Jahren aus ich habe bis jetzt nocht keinen gefunden, welcher das Ablaugen/beizen sorgfaeltig und schonend ausgefuehrt hat. In einzelnen Faellen kam es vor, dass die Nacharbeit mehr Zeit erforderte als das ganze Abbeizen selbst auszufuehren. Hier arbeiten die Abbeizer (strippservice genannt) mit heisser Aetznatronlauge. Die Holzgegenstaende werden in einen mit Natronlauge gefuellten auf ca 120°/C erhitzten Tank getaucht. Durch die Waerme nimmt das Holz sehr viel Feuchtigkeit auf und schwillt, die geloesten Farben werden dann mit Wasser abgewaschen beim Trockenprozess ist es nicht moeglich das Holz gleichmaessig zu trocknen, was zu einer rauhen aufgerissenen Oberflaeche fuehrt. Urspruenglich waren/sind solche Heisstanks, zum Entfernen von Lack auf Kotfluegeln, Tueren und Felgen von Autos gedacht. Das Blech wird im Gegensatz von Holz davon nicht aufgerauht.

Die beim Ablaugen/abbeizen gemachten Fehler lassen sich nur schwer bis nicht entfernen.

Zum Anfertigen der Abbeizvorrichtung, ziehe ich auf einem schmalen Brett eine Mittellinie und bohre auf dieser Linie im Abstand von 10 cm Loecher von ca 50 mm ø, dann saege ich das Brett in der Mitte auf und hefte an den Enden ein Stueck Holz an, so dass diese aufrecht stehen. Falls du keinen solchen Bohrer hast, kannst du zwei schmale Bretter zusammenheften und dann im gleichen Abstand V-foermige Einschnitte einsaegen.

Als Gedankenanstoss

mfg

Ottmar

PS: Ich habe nie mehr als 6 Staebe vorgenommen, sonst litt die Qualitaet darunter.
 

Anhänge

  • Bild A.jpg
    Bild A.jpg
    596,9 KB · Aufrufe: 65
Oben Unten