Gebogenes Holz?

FantomXR

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Liebe Profis,

mich interessiert es, wie man solche Formen herstellt, wie sie zum Beispiel beim Flügel (Musikinstrument) zum Einsatz kommen.
Wie genau bekommt man diese geschwungenen Formen hin?

Vielen Dank!

Liebe Grüße,
Christian
 

Mitglied 59145

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Hallo,

in der Regel sind das Formverleimungen. Also mehrere Lagen dünnes Holz oder Plattenwerkstoffe die auf einer Form verleimt werden. Das ist ein spannendes Thema, aber natürlich auch nicht ganz ohne....
Heute wird das viel mit Vakuumpressen gemacht. Habe neuerdings auch so ein Teil und bin ziemlich fasziniert, bin aber noch nicht dazu gekommen etwa geformtes zu verleimen.

Gruss
Ben
 

FantomXR

ww-kastanie
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Vielen Dank für die schnellen Antworten.

Vakuumpressen sind natürlich praktisch. Hab da gerade mal nachgeschaut. Schicke Sache!

Aber es muss ja noch eine händische Möglichkeit geben. Formverleimung scheint mir der richtige Begriff. Dafür müsste man sich also eine entsprechende Form bauen, um die man herum leimt... das erfordert etwas Grips :emoji_wink:
 

Mitglied 59145

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Hallo,

klar geht das anders,bzw ging es auf jeden Fall mal anders!:emoji_wink::emoji_grin:

Gruss
Ben
 

derdad

Moderator
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Einen schönen Abend!
Holz biegen wird auf verschiedene Arten gemacht. Angesprochen wurde ja schon die Formverleimung. Hier werden mehrere dünne Schichten über eine Form gebogen, oder in eine Form gepresst, und dabei verleimt. Die Verwendeten Materialien sind Biegesperrholz, Furniere, dünne Bretter, oder auch geschlitztes Plattenmaterial. Und vieles Mehr. Auch bei einer Vakuumpresse braucht es eine angefertigte Form. Nur das Gegenstück der Form zum Pressen entfällt.
Bei dickerem Massivholz wird das Holz zuerst gedämpft/gekocht und dann in eine Form gezwengt. Das bekannteste Beispiel sind "Thonetstühle". Aber auch Fassbinder (Küfer), früher die Schierzeuger, Schlittenbauer, etc. verwenden diese Variante des Holzbiegens. Ich glaube auch im Musikinstrumentebau wird es so gemacht.
Im Musikinstrumentebau kenne ich auch die Variante, dass dünne Bretter an einer heissen Metallform von Hand in Form gebracht werden.

Diese Aufzählung ist sicher nicht vollständig, und die jeweiligen Feinheiten und Tricks bei den verschiedenen Varianten sind in der Kürze nicht darstellbar.

Jedenfalls ist Holz Biegen eine sehr interessante Angelegenheit.

lg
gerhard
 

FantomXR

ww-kastanie
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Hallo Gerhard,

danke für die Infos.
Also für den einzelnen eher schwer zu realisieren? Eine Vakuumpresse kann man sich sicher nicht mal eben so leisten. Aber eventuell kann man sich relativ leicht eine Biegeform bauen um dann das Werkstück formzuverleimen.

Insgesamt ist das ein absolut interessantes Thema... damit kann man viele schöne Formen bauen.

Ich werde mal ein wenig Hirnschmalz dort investieren :emoji_slight_smile:
 

FantomXR

ww-kastanie
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Hi,

genau diese Flügelform. Ich baue Tasteninstrumente und habe gerade im CAD ein Flügel-Gehäuse entworfen.
Eventuell könnte ich auch Biegesperrholz seitlich mit Schrauben / Nägeln / Tackern befestigen. Die Bodenplatte verfügt auch über diese Rundung in meinem Falle und ist ca. 20mm stark. Die erste Schicht also Leimen und zum Halt mit Schrauben befestigen. Nachdem der Leim abgebunden ist, die zweite Schicht nach dem gleichen Prinzip aufbringen, usw. bis die gewünschte Stärke erreicht ist.
Diese Wand ist im CAD übrigens lediglich 200mm hoch.

Das könnte funktionieren :emoji_wink:
 

dascello

ww-robinie
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Liebes Fantom,

hier bin ich, der Cellomann, der aber Cembali baut, und das Cello nur spielt.

Viel hat Gerhard ja schon geschrieben, und das ist alles wahr.

1. Schichtholz formverleimt: Ein eher industrieller Prozess, der großes Gerät, Vakuumtechnik und wasweißichnoch erfordert. Für Kleinserien und Einzelprojekte nicht praktikabel.

Il fasciame | Fazioli Pianoforti

2. Biegeholz: Industriell "gestauchtes" Buchenholz. Das lässt sich zwar biegen, ist aber nicht längenstabil. Unbrauchbar.

3. Biege-MDF: das ist einseitig geschlitztes MDF. Man kann zwei davon in der gewünschten Biegekurve jeweils mit den geschlitzten Seiten aufeinanderleimen. Das hält super, ist erstaunlich stabil, lässt sich spachteln und furnieren, ist aber in meinen Augen stillos und für Musikinstrumente ein Hohn.

4. Traditionelle Verfahren: Wasser und Hitze oder gleich Dampf. Damit geht das.

Hier mein Vorgehen bei meinem letzten Cembalo (das noch nicht ganz fertig ist):

Die Querrippen sind auf den Gehäuseboden geleimt und geben die Form somit vor.

Die gebogene Seite besteht aus einem Brett massiver Eiche, 6,5 mm dick, 27 cm breit und 200 cm lang.
Dieses Brett (aus einem Stück und ohne Äste) wird über Nacht zwischen klatschnassen Frottiertüchern ordentlich durchnässt.
Inzwischen baue ich aus zwei aufrecht stehenden, in der gewünschten Kurve gesägten Brettern und ein paar Abstandhalten eine Biegeform.
Das eher gerade Ende des nassen Brettes zwinge ich an die Form. Die gebogene Sektion wird nun mit zwei Bügeleisen (eins in der Hand meines Sohns) gut erhitzt und Stück für Stück über die Form gezwingt.
Eine Woche trocknen lassen.

Dann aus der Form nehmen und an den Rahmen leimen (der Klavierbauer sagt "Rast") .
Dann kommen andere Arbeiten.

Der Bereich der gebogenen Wand oberhalb des Resonanzbodens wird dann mit einem weiteren Brett Eiche von 6,5 mm Stärke aufgedoppelt (auch vorher biegen, s. Bild).

Im siebzehnten Jahrhundert wurden in Flandern auch schon gebogene Wände aus Massivholz Pappel in voller Stärke von 16 mm gebogen. Das ging auch mit Wasser und über offenem Feuer, wie in diesem Film:

https://www.youtube.com/watch?v=K48FezBoPWg
Das ist jetzt zwar sehr gewöhnungbedürftig, vor allem die peinlichen Kostüme und der Sprachduktus des Kommentars, aber die Jungs haben was drauf.
Unter der Ölfarbe flämischer Cembali findet man übrigens heute noch Reste von verkohlten Oberflächen. Die haben damals das Schwarze vor dem Spachteln und Lackieren einfach mit einer Ziehklinge abgeschabt. Die gebogenen Seiten dieser Instrumente sind nie gleich dick.

Weitere Fragen beantworte ich gern per PN, das würde unser Forum sonst mit Nerd-Talk zudröhnen.

Mich interessiert, welche Art von Tasteninstrument Dir vorschwebt, bei nur 20 cm Zargenhöhe.



Grüße sendet


Michael
 

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FantomXR

ww-kastanie
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Lieber Michael,

vielen Dank für die ausführlichen Informationen.

Das klingt alles wahnsinnig interessant.

Bei mir ist es so, dass ich digitale Instrumente baue. Es werden also weder Rahmen noch Saiten eingezogen. Es wird lediglich eine Tastatur mit 14kg Eigengewicht eingesetzt, ein bisschen Elektronik und das wars. Eventuell werde ich später noch Lautsprecher einbauen, um gleich spielbereit zu sein.

Was ich damit sagen will: Es ist nicht mein Ziel, die Qualität eines echten Flügels zu erreichen. Ich bin schließlich kein Klavierbauer. Deshalb käme für mich durchaus die MDF Lösung in Frage. Am Ende soll der Korpus eh entweder komplett lackiert oder teilweise furniert werden.

Angenommen ich nehme MDF. Dann würde ich zu 2x9mm Platten greifen und diese entsprechend einschlitzen. Das Verfahren habe ich tatsächlich schon einige Male beim Thema Lautsprecherbau gesehen.
Um die beiden Platten in Form zu bringen, war jetzt meine Idee, die 20mm starke Bodenplatte des Gehäuses (welches die Rundung ja schon beinhaltet) zweimal herzustellen und anschließend in einem Abstand von 10-15cm exakt übereinander zu setzen. Anschließend würde ich die MDF Platten mit Leimversehen, gegendrücken und mit Schrauben in eine Abstand von 3-5cm fixieren (vorgebohrt natürlich. Sonst reist der Mist noch aus). Das selbe mach ich dann für die zweite Schicht MDF. Wenn der Leim dann abgetrocknet ist, müsste das doch halten, oder? Wobei die erste Schicht sogar geschraubt bleiben dürfte. Die wird am Ende ja eh durch eine weitere Schicht verdeckt.


In jedem Fall ein hochinteressantes Thema :emoji_slight_smile:
 

dascello

ww-robinie
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Lieber Christian,

ja, so geht das. Die geschlitzten MDFs kriegt man vorgefertigt viel genauer, als man das selbst machen kann:

z.B.

Die Glunz AG > Dekorative Produkte > TOPAN MDF Form

Wenn das nicht an Hobbyleute verkauft wird (weißichnich), kann das der freundliche Schreiner um die Ecke für Dich besorgen.

Ich bin mir nicht sicher, ob der "doppelte Boden" überhaupt nötig ist. Mit dem Zeugs hat das auch so schon eine große Stabilität.
Muss ja (leider) keinen Saitenzug aushalten.

Ein Bild vom fertigen MIDI-Klavier würde mich interessieren.

Es grüßt vom Rhein


Michael
 

FantomXR

ww-kastanie
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Ah! Gut zu wissen! Das ist mir tatsächlich neu. Das ist ja super.

Da ich ein entsprechendes Gewerbe habe, sollte es kein Problem sein, dort das Material zu bekommen.

Bisher ist es nur ein Entwurf im CAD. Ich schicke dir aber mal eine PN.
Ich muss mir nochmal einen richten Flügel von nahem anschauen. Mal sehen, wie die Tastaturklappe gelöst ist. Bisher hab ich sie im Entwurf weggelassen. Aber schön wäre es wohl schon :emoji_slight_smile:

Der doppelte Boden ist deshalb ganz nützlich, weil sonst in dem Gehäuse so viel ungenutzter Platz ist. Ich denke, es wirkt einfach schöner, wenn ein zweiter Boden eingezogen ist. Wenn ich tatsächlich noch Lautsprecher integriere, muss sowieso ein geschlossener Bereich her. Das wäre dann damit schon vorbereitet.

Vielen Dank für eure Tipps.


//edit: Habe gerade eine Quelle in Berlin aufgetan:
MDF-Form biegsam online kaufen | modulor online-shop

Perfekt :emoji_wink:
 
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