Kunststein und Staublunge

seschmi

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Hat zwar nichts mit Holz zu tun, aber da hier einige ja Küchen einbauen, betrifft vielleicht doch den einen oder anderen:

Kürzlich hat eine australische Forschergruppe die Lungen von Arbeitern, die mit Kunststein (engineered stone) arbeiten untersucht und ziemlich erschreckende Ergebnisse gefunden: Sehr viele sehr junge Menschen mit schwerer Staublunge.

Ich konnte das kürzlich bei einem Kongress selbst sehen, da waren 27-jährige dabei, deren Lungen sahen schlimmer aus als nach 40 Jahren unter Tage. In Australien wird jetzt ein Verbot von Kunststein aus Siliziumdioxid (Quartz, Silica) der diskutiert.

Solche Kunststeine bestehen ja aus anorganischem Material, das mit Harz gebunden ist. Kritisch sind wohl Stoffe mit Silizium, zu Aluminiumhydroxid ist bisher nichts derartiges bekannt. Corian ist zum Beispiel auf Basis von Aluminiumhydroxid, wäre also erstmal nicht in Verdacht.

Es empfiehlt sich also sehr, beim Schneiden solcher Platten auf wirksamen Staubschutz zu achten: Am Besten nass schneiden, nur mit funktionierender Staubschutzmaske, Absaugung etc.. Und schauen, ob man nicht quarzhaltiges Material durch anderes ersetzen kann.

Die Australier sprechen schon von „wie Asbest, vielleicht schlimmer“. Wenn sich das bestätigt, ist das Zeug bald verboten. Mal sehen, wann das Thema in Deutschland ankommt.

Das gilt natürlich auch für Heimwerker, die ja besonders gerne ohne PSA arbeiten. Die dort vorgestellten Patienten hatten zum Teil recht kurz mit dem Zeug gearbeitet.
 

U.Tho

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carsten

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Hallo

so wie ich das sehe ist Kunsttein ist das was ich eher als Quarzstein kenne
Aus dem Hause Dupont also die die auch Corian herstellen wäre das dann Zodiaq bzw corian Quartz
Andere Produktnamen / Hersteller wären Cosentino oder Caesarstone.
Das kann mit den Werkzeugen des Schreiners/ Tischlers NICHT bearbeitet werden. Ist was für den Kollegen Steinmetz.

Corian bzw Kunstminerale sind eher mit Plexiglas verwandt. Sägen, Fräsen, Schleifen mit den gängigen Werkzeugen die in Holzverarbeitenden Betrieben vorhanden sind ist da kein Problem.

Betrifft also nicht das was hierzulande als Corian bekannt ist.
 

FredT

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Verbieten ist ja fein, keine Frage. Aber wenn es nur dazu dient, fehlenden Gesundheitsschutz und Eigenverantwortung zu bemänteln, ist es fragwürdig. Menschen sind doch wohl denkende Wesen? Manchmal, und auch viel in Arbeitsfragen eher wohl nicht
 

seschmi

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Zu Corian und Co. hatte ich oben schon was geschrieben: Das ist was anderes. Zum einen AlOH und nicht Siliziumoxid, zum anderen mehr Harz und weniger Partikel. Die kritischen Kunststeine haben wohl über 90% Silica, deshalb sind die auch zu hart für Schreinerwerkzeuge.

Mir ging es mehr um den Monteur, der vor Ort meint, mit der Flex was anpassen zu können. Oder die Heimwerker. Man weiß ja wie das ist, wenn eine Ecke klemmt…

Zum Verbieten: Es gibt ja Ersatzprodukte, die weniger schädlich sind, dann muss es die schädlichen Varianten ja nicht geben.

In Deutschland regelt sich sowas eh über die BG: Wenn ein junger Mensch den Rest seines Lebens Pflege und Sauerstoff braucht ist das extrem teuer für die BG. Dann erlassen die strenge Regeln oder setzen die Beiträge für Betriebe, die sowas verarbeiten, extrem hoch an. Die Ausgaben müssen ja wieder reinkommen.

Dann benutzt das keiner mehr und es verschwindet von selbst. Die Klappenmesserwelle ist ja auch so verschwunden: Gewerblich ist sie nicht mehr nutzbar, also bauen die Hersteller keine mehr. Gesetz braucht es da gar nicht.
 

wasmachen

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Wird der Heimwerker, der da jetzt 1x in seinem Leben rumflext, gleich drann sterben?
Da ist die Wahrscheinlichkeit wohl höher, dass er vom Blitz getroffen wird...

Ganz obdn gehts ja um gewerbliche, also dauernde Verarbeitung!
 

U.Tho

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seschmi

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Es ist noch unklar, wieviel Belastung es wirklich braucht. Auffallend ist aber das junge Alter einiger Betroffener: Die hatten sicher nicht viel Belastung.

Die klassische Staublunge trat ja eher bei älteren auf, die eine langjährige Exposition hatten. Steinmetze oder Bergarbeiter, eher im Alter 50+. Das ist in den letzten Jahrzehnten in Deutschland deutlich zurückgegangen durch besseren Arbeitsschutz. Und Bergbau gibt es natürlich auch kaum noch.

Man muss aber sagen, dass es oft 20 Jahre dauert, bis die Krankheit ausbricht. Es gibt ja immer noch Patienten mit Krebs durch Asbest, obwohl da schon lange strenge Regeln gelten - die haben ihre Dosis vor den 90ern abgekriegt, und kriegen jetzt Krebs.

So richtig massenhaft wird der Kunststein wohl noch nicht lange verbaut. Das macht das Thema so kritisch: Der Effekt scheint relativ stark zu sein und früh aufzutreten.
 

seschmi

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Genau, da steht’s ja, dass eine kurze, starke Exposition ausreichen kann.

Das Problem beim Kunststein ist wohl, dass reiner Quarz verwendet wird. In Naturstein ist Quartz nur einer von mehreren Bestandteilen.

Außerdem kommt es in der Lunge immer extrem auf Größe und Form der Partikel an. Da kann sich der Harz-gebundene Staub ganz anders verhalten als „normaler“ Staub.
 

seschmi

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Das ist schon was außergewöhnliches. Ich habe schon Tausende von Computertomografien von Lungen gesehen. Aber solch schwere Veränderungen bei so jungen Menschen sieht man sonst nur bei angeborenen Erkrankungen wie Mukoviszidose oder A1AAT Mangel. Und die Australier sagen, sie sehen hunderte von Fällen.

Mal sehen, was da in Deutschland hochkommt. Wenn sowas bekannt wird, wird es ja systematisch ausgewertet, dann wird es schnell klarer.
 

wasmachen

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Was lernen wir draus?
Industrie ist Schexxxe.

Und genaugenommen hats n Bart, Quartz(-sand) ist zum Sandstrahlen schon lange verboten, Das dürfte am gleichen 'Inhaltsstoff' liegen.
 

seschmi

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Nö, Staub ist kacke.

Staub ist in der Tat ein komplexes Problem, weil es nicht nur auf die Bestandteile ankommt, sondern auch stark auf die Korngröße.

Bei anderen Giften ist es ja so, dass es auf das Gift und die Dosis ankommt. Und Körpergewicht. Das ist relativ gut vorhersehbar, man weiß meist, aber welcher Dosis es gefährlich wird.

Staub ist anders, weil er unterschiedlich tief in die Lunge eindringt, und die Lunge bestimmte Stäube auch nie mehr los wird. Das hängt aber stark von der Korngröße ab, und ist daher schlecht vorhersagbar.

Wenn da neue Verarbeitungs-Methoden aufkommen, entstehen halt andere Stäube.

Deshalb ist es halt sinnvoll, generell möglichst wenig Staub zu erzeugen und auch nicht einzuatmen.
 

U.Tho

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Bei Asbestfasern ist die Fasergeometrie der toxische Faktor - diese üben eine Dauerreizung hervor, welche Krebs hervorrufen kann.
Die sogenannten Fresszellen in der Lunge versuchen, diese Fasern "aufzufressen" - geht aber nicht, da die zu lang sind - am Ende sieht das unterm Mikroskop wie Schaschlik aus.
Deshalb ist es halt sinnvoll, generell möglichst wenig Staub zu erzeugen und auch nicht einzuatmen.
Sowie den Arbeitsbereich, wo Staub entsteht klein zu halten (Abschotten). Dazu entsprechende Atemschutzmasken und entstehende Stäube möglichst am Entstehungsort absaugen.
 

wasmachen

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Nö, Staub ist kacke.

Staub ist in der Tat ein komplexes Problem, weil es nicht nur auf die Bestandteile ankommt, sondern auch stark auf die Korngröße.

Bei anderen Giften ist es ja so, dass es auf das Gift und die Dosis ankommt. Und Körpergewicht. Das ist relativ gut vorhersehbar, man weiß meist, aber welcher Dosis es gefährlich wird.

Staub ist anders, weil er unterschiedlich tief in die Lunge eindringt, und die Lunge bestimmte Stäube auch nie mehr los wird. Das hängt aber stark von der Korngröße ab, und ist daher schlecht vorhersagbar.

Wenn da neue Verarbeitungs-Methoden aufkommen, entstehen halt andere Stäube.

Deshalb ist es halt sinnvoll, generell möglichst wenig Staub zu erzeugen und auch nicht einzuatmen.

Irgendwie hast das glaub mit dem Vergleich zum Sandstrahlen ned verstanden... was entsteht dabei? Genau: Staub.

Bei den richtig alten Dieseln sind die Rußpartikel aus dem Auspuff 'gefallen'. So n /8 Diesel hat beim Starten n schwarzen Fleck am Boden gemacht.
Dann kam ComonRail und Pumpedüse. Was war dann? Dann gabs Feinstaub ausm Auspuff.... den hat man nicht gesehen.

Vll verstehst jetzt meine Aussage. Wie gesagt, ist das 'Material' ja hinreichend als problematisch bekannt. Vll wirds demnächst in Reifen extrahiert, für mehr Lebensdauer bzw Verschleißfestigkeit....

Bei Bremsen war zuerst garnix, dann kam Asbest, dann Sintermetall. Derzeit nimmt Keramik stark zu....
 

yoghurt

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Hallo,
nicht mein Thema, trotzdem: die „guten alten Diesel“ haben zusätzlich zum sichtbaren Dreck genauso Feinstaub rausgeblasen wie die aktuellen.

Zurück zum Thema!
 

joh.t.

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Das hat sich ja wohl bei den modernen Dieseln erledigt - da kommt hinten weniger Feinstaub raus als vorne angesaugt wird. (nachweislich)

Sicher? Mechanische Bremsen erzeugen doch immer Abrieb oder?
der Feinstaub ist so fein, das er durch jeden Filter direkt in die Lunge geht. Mein Schrauber sagt ihm sterben reihenweise die Vertreter weg. Seitdem er denen Aktivkohlefilter einsetzt gehts.
 

U.Tho

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Mein Schrauber sagt ihm sterben reihenweise die Vertreter weg.
Wieviele Hundertschaften hat er denn davon? :emoji_grin:
Ja - reden wir nicht so viel über den Diesel - da wird`s schnell politisch.
(vielleicht für interessierte zum Thema Diesel/Feinstaub: https://www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/dieselabgase-partikelmessungen-im-realbetrieb/)

Hier mal von der BG eine schöne Seite zum Thema Staub:
https://www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/staub/gesundheitsgefahren-durch-staub
 
Zuletzt bearbeitet:

elminster

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Das Problem beim Kunststein ist wohl, dass reiner Quarz verwendet wird. In Naturstein ist Quartz nur einer von mehreren Bestandteilen.
Passt zu den Dichtheitsprüfungen, die wir auf der Arbeit machen lassen. Da wird mit möglichst feinem Staub, dem Arizona dust, getestet, ob Bauteile dicht sind. Da gibt´s seit einiger Zeit auch quarzfreien Staub, der nicht krebserregend sein soll.
 

U.Tho

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Passt zu den Dichtheitsprüfungen, die wir auf der Arbeit machen lassen. Da wird mit möglichst feinem Staub, dem Arizona dust, getestet, ob Bauteile dicht sind. Da gibt´s seit einiger Zeit auch quarzfreien Staub, der nicht krebserregend sein soll.
Finde ich interessant - kannst Du da mehr erzählen?
 

elminster

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Finde ich interessant - kannst Du da mehr erzählen?
Wir entwickeln und testen Automotivekomponenten. Bei diesem Test bspw. werden die Bauteile auf Betriebstemperatur erwärmt und mit 0-4 Grad kaltem Wasser übergossen. Das Ganze simuliert dann u. a. eine Pfützendurchfahrt. Das Wasser ist mit Arizona Staub angereichert. Den gibts in verschiedene Feinheitsgraden und eben mit Quarz und quarzfrei. Durch den Temperaturunterschied von Bauteil und Schwallwasser ist der Test sehr hart, weil das kalte Wasser ins heiße Bauteil gezogen wird. Dadurch dass der Staub so fein ist, wird jegliche Undichtigkeit entdeckt. Die Feinheit des Staubs ist dann aber auch das Problem nach dem Test, denn der haftet natürlich noch außen am Bauteil Und kann da noch Haut und Augen reizen. Deswegen muss nach dem Test gut gewaschen werden.
 

brubu

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Hallo
Da wird der Eichen-und Buchenstaub als krebserregend für die Nasenschleimhaut aufgeführt. Bei uns hört man wegen Holzstaub aktuell nicht viel.
Kennt ihr Holzverarbeiter die an Nasenschleimhautkrebs erkrankt sind? Das interessiert mich weil ich bis jetzt keinen solchen Fall kenne. Bei Asbest ist es anders, da kenne ich mindestens 3 Todesfälle mir bekannter Personen.
Gruss brubu
 

seschmi

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Krebs der Nasennebenhöhlen ist insgesamt ziemlich selten im Vergleich zu allen anderen Krebsarten.

Von den Betroffenen sind aber der größte Teil aus dem Holz- und Lederverarbeitenden Gewerbe. Ich habe mal einige Studien durchgeschaut, ca. 80-90 Prozent der Betroffenen stammen meist aus solchen Berufen, das ist dann schon ziemlich eindeutig. Das ist auch schon seit den 80ern gut bekannt.

Zum Glück sind diese Erkrankungen heute in unserer Umgebung recht selten, weil halt seit längerem entsprechende Regeln gelten. Die Studien aus verschiedenen Ländern finden wenige hundert Fälle pro Land, über 10 und mehr Jahre. Zum Vergleich: Lungenkrebs hat 50.000 Erkrankte pro Jahr in Deutschland.

Es kann also schon sein, dass niemand hier im Forum jemand betroffenen kennt, oder wenn, dann eher aus früheren Generationen. Der Zusammenhang mit dem Holzhandwerk ist aber sehr eindeutig.

Das kann durchaus als Beispiel für erfolgreiche Prävention gelten.
 

hlzbt

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Da wird der Eichen-und Buchenstaub als krebserregend für die Nasenschleimhaut aufgeführt. Bei uns hört man wegen Holzstaub aktuell nicht viel.
Das Thema ist meiner Erinnerung nach vor ca. 25-30 Jahren erstmal thematisiert worden.
Kennt ihr Holzverarbeiter die an Nasenschleimhautkrebs erkrankt sind?
Nein
Bei Asbest ist es anders, da kenne ich mindestens 3 Todesfälle mir bekannter Personen.
In meinem Geburtswohnort Dutzende, allein 3 Leute aus der Familie - Werftarbeiter (Isolierung mit Spritzasbest).
 
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