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Januar 2014
Ein Platz für Gegensätzlichkeiten
Louise Campbell gestaltet ein Haus nach Maß mit viel Handgemachtem
Bild: KoelnMesse
Genau genommen hat Louise Campbell da auf der imm cologne nicht nur ein Haus aufgebaut, sondern zwei. Zwei in Holzständerbauweise realisierte, idealtypisch geformte Häuser mit offener Balkenkonstruktion, die auf dem Hallenboden versetzt nebeneinander gestellt und dann ineinandergeschoben wurden, so scheint es. Das eine mit weiß, das andere mit hellgrau gestrichen Pfosten. In der Mitte entsteht die Schnittmenge, dort treffen männliche und weibliche Seite aufeinander, vereinen sich die Gegensätze.
Im Rahmen der Reihe »Das Haus - Interiors on Stage« hat die dänisch-britische Designerin auf der internationalen Einrichtungsmesse in Köln als Ehrengast Farben, Materialien, Beleuchtungen und Accessoires zu einem individuell konfigurierten Interior Design zusammengestellt. »Das Haus« ist ein Beispiel dafür, wie man eine Welt erschaffen kann, die zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit wird. Das Projekt thematisiert dabei nicht nur die gegenwärtigen Einrichtungstrends, sondern auch die Publikumssehnsüchte und den gesellschaftlichen Wandel.
Bild: KoelnMesse
Louise Campbell macht »Das Haus« zu einer reizvollen Beziehungskiste: Die 240 Quadratmeter einnehmende Konstruktion aus Holzbalken, Lärchenholz-Schindeln und vielen, vielen Stoffen entpuppt sich als eine ästhetisch überaus reizvolle und verführerische Versuchsanordnung. Louise Campbell will ergründen, wie sich Gegensätze durch Design vereinen lassen. Und der größte denkbare Widerspruch unseres Lebens ist in ihren Augen die (Un)Vereinbarkeit von Mann und Frau, von Ratio und Emotion – und das größte Experiment damit eine Partnerschaft zwischen ihnen.
»Ich verstehe nicht, warum wir so etwas Grundlegendes wie Liebe nicht häufiger in Frage stellen«, erklärt Louise Campbell provokant. »Was ist Liebe? Wie geht ein Designer an diese Fragestellung heran? Indem er unsere körperlichen Grundlagen durch Formen darstellt.« Sie wollte mit »Das Haus« ein Zuhause entwerfen »für sie und ihn, für schnell und langsam, weich und hart, hell und dunkel, Farbe und Material, britisch und skandinavisch – mit einem ruhigen Bereich in der Mitte, an dem es Eigenheiten, aber keine Konflikte gibt.« Dabei stehen »Er« und »Sie« für die maskulinen und femininen Seiten in jedem Menschen.
Die dänisch-britische Designerin zeigt, wie man/frau sich in diesem Widerspruch recht angenehm einrichten kann. Dafür reißt sie auch Wohnkonventionen ein: »Das Haus« ist ein einziger großer, offener Raum, das Bett ist ein 16 m langes, zum Lümmeln einladendes Wohnmöbel, die Badewanne steht mitten im Wohnbereich, und die Küche gehört bei ihr ins Reich des Mannes. In der Mitte trifft man/frau sich in Harmonie am großen Tisch. Es gibt keine Zimmer im eigentlichen Sinne. Die Wohnbereiche werden durch Möbel und Ausstattung definiert.
Dabei sind nicht nur Campbells eigene Entwürfe wie die Lampen LC Shutters von Louis Poulsen und Veryround Chair von Zanotta vertreten, sondern auch diverse Produkte anderer Designer. Alles andere wurde im Kopenhagener Studio von Louise Campbell handgefertigt. Auch etwas Altes sollte nicht fehlen, und so wurde eine vor 100 Jahren aus Steinzeug produzierte Badewanne aus dem Museumsbestand der Fa. Villeroy & Boch AG organisiert und mitten im Wohnbereich aufgestellt. »Die verschiedenen Bereiche sind nicht durch Wände, sondern durch weiche Stoffe getrennt, die nach Wunsch aufgerollt oder herabgelassen werden können. Es gibt keine Geheimnisse und keinen Druck - die ideale Verbindung und vielleicht sogar tatsächlich das ideale Haus«, erklärt Louise Campbell.
Eine große Wandfläche im Küchenbereich bildet eines der Highlights. Die Küche ist bei Louise Campbell Werkstatt und Kochstätte zugleich, und so hat sie hier 573 Werkzeuge aller Art an die Hauswand gehängt. An dem großen Tisch wird gerührt, gemixt, gesägt, gemalt, gehämmert und genäht. Technische Einbauten sucht man vergebens, dafür findet man für jede denkbare handwerkliche Tätigkeit das passende Instrument. Das richtige Maß zu finden - die richtige Mischung aus Ratio und Emotionalität, aus Perfektion und Wohnlichkeit, aus Technik und Handwerk, hektischer Aktivität und völliger Entspannung – ist große Thema ihres Designs wie auch ihrer Version von »Das Haus«, der sie den Titel »0-100. (Made to measure)« gegeben hat: ein maßgefertigtes Haus.
»Ich persönlich fühle mich hier rundum zuhause«, bekennt sich Louise Campbell zu ihrem Haus. »Dort, wo Tapeten mit Blumenmustern in einer Küche nicht ganz oben auf meiner Liste stehen, sind viele schöne Werkzeuge meine erste Wahl. Dennoch schlafe ich lieber in einem anregend dekorierten als in einem klinisch weißen Schlafzimmer.«
In Louise Campbells Haus wird die physische Existenz gefeiert, das Dasein im Hier und Jetzt. Digitale Projektionen fehlen vollständig. Die warme Beleuchtung, die kostbaren Textilien, das bequeme Ruhelager, die vielen verspielten Details und Accessoires sind eine mahnende Erinnerung daran, was Wohn- und Lebensqualität eigentlich ausmacht. Louise Campbell lebt diese Haltung vor und legt beim Aufbau des Hauses lustvoll selbst Hand an, tackert, pinselt, drapiert. Dieses dem Trend der Technikbegeisterung völlig entgegengekehrte Wohnkonzept feiert die klassische Sinnlichkeit und alles Handgemachte.
Louise Campbell setzt die Reihe »Das Haus - Interiors on Stage« also in gewohnt außergewöhnlicher Form fort - nämlich als Lowtech-Haus mit flexibel zu nutzendem Freiraum für alle (gegensätzlichen) Facetten seiner Bewohner. 2012 eröffnete das indisch-britische Designerteam Nipa Doshi und Jonathan Levien die Reihe und inszenierte einen quasi organisch gewachsenen Raum, der ein kommunikatives Miteinander von Bewohnern und Kulturen ermöglicht. 2013 führte der italienische Produktdesigner Luca Nichetto das Design-Event als elegantes, der Natur sich nach allen Seiten öffnendes Ensemble fort.
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