Copyright-Fragen

seschmi

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Wer sagt Dir denn, das Zanotta keine Lizenz hat? Soweit ist weiß, hat Bill auch mit denen zusammengearbeitet.

Grundsätzlich ist es so: Ob das Urheberrecht anwendbar ist, hängt davon ab, ob ein Möbelstück als schöpferisches Werk (im Sinne von Kunstwerk) gilt. Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen, auch je nach Land.

Der Ulmer Hocker dürfte aber recht klar als „Werk“ gelten, steht er doch in zahlreichen Museen. Ich hätte aber keine Bedenken, den Möbelhaus-Tisch in meinem Esszimmer nachzubauen, den würde ich jetzt als Gebrauchsgegenstand bezeichnen.

Lustigerweise werden ja heute die meisten Urheberrechtsprozesse um Bauhaus-Möbel geführt - obwohl sich ja ausgerechnet einige der Bauhaus-Protagonisten sicher energisch dagegen gewehrt hätten, dass ihre Produkte Kunstwerke seien. Und jetzt beanspruchen ihre Erben damit den Schutz...

Aber sei‘s drum, für den Ulmer Hocker gibt es genug Gründe, dass es sich um ein schöpferisches Werk handelt. Schau Dir mal die Preise für die Originale an...
 

Holz-Fritze

ww-robinie
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Auszug aus einem Urteil des BGH
"Für den Urheberrechtsschutz ist vielmehr notwendig, dass der gestaltete Gebrauchsgegenstand über seine „von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt.“

Gerade wenn man die Enstehungsgeschichte des Ulmer Hockers kennt, kann man dies schon in Frage stellen. Ich habe mal gelesen dass Max Bill selber mal so etwas gesagt hat wie "form follows function" was die Frage nach dem künstlerischen Überschuss welchen das BGH fordert schon stellt.
Letztendlich würde so etwas ein Richter bewerten und zu welchem Schluss dieser kommt ist dann entscheidend. Meine Meinung ist, dass es knapp werden könnte.
 

Wechselzahn

ww-pappel
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Wer sagt Dir denn, das Zanotta keine Lizenz hat? Soweit ist weiß, hat Bill auch mit denen zusammengearbeitet.

Das weiß ich nicht. Ich gehe aber davon aus, dass Zanotta damit werben würde, wenn sie denn schon für eine Lizenz bezahlen.

Ich habe noch einen interessanten Link zu diesem Thema gefunden: https://www.designschutznews.de/2015/06/urheberrecht-moebel-design-moebelplagiate-schuetzen/ Unter anderem werden Beispiele gezeigt für Möbel, welche durch das Gericht als Plagiate angesehen werden und welche nicht. Des Weiteren wird der rechtliche Begriff des "Eingetragenen Designs" als Abgrenzung zum uhrheberrechtlich geschützten Werk diskutiert.

Bei diesem ganzen Rätselraten stellt sich mir die Frage, wo es denn einsehbar ist, welche Produkte urheberrechtlich geschützt sind bzw. eingetragene Design sind. Oder wird im Fall des Uhrheberrechts nur "nach Bedarf", sprich im Fall einer möglichen Verletzung, begutachtet?
 

Holz-Fritze

ww-robinie
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Bei diesem ganzen Rätselraten stellt sich mir die Frage, wo es denn einsehbar ist, welche Produkte urheberrechtlich geschützt sind bzw. eingetragene Design sind. Oder wird im Fall des Uhrheberrechts nur "nach Bedarf", sprich im Fall einer möglichen Verletzung, begutachtet?
Zu dem Geschmacksmuster (welches Du eingetragenes Design bezeichnest) hatte ich in einem frühen Post etwas geschrieben, dazu zitiere ich mich mal selber.

Dazu muss ich etwas ausholen.

Was Du ansprichst heißt Geschmacksmuster, das heißt das Design wird geschützt.
Jetzt gibt es zwei mögliche Schutzarten, das eingetragene Geschmacksmsuter und das nicht eingetragene Geschmacksmuster.

Unter einem nichteingetragenen Geschmacksmuster versteht man, dass man ab dem öffentlich machen eines Designs (z.B. in einem Katalog oder in einem Geschäft) eine automatisches Schutzrecht hat. Diese Schutzrecht währt drei Jahre. Danach kann das Design nachgebaut werden.

Bei einem eingetragenen Geschmacksmuster hat der Inhaber dieses beim Marken und Patentamt schützen lassen, dies hat zu Folge dass das Schutzrecht immer wieder verlängert werden kann.

Wenn man sich jetzt an solch einem geschützten Design anlehnen will, ist die Regel dass die Richter drei wesentliche Unterschiede verlangen um aus einem solchen Schutzrecht herauszukommen.

Das können auch deutliche Proportionsänderungen sein oder z.B. an einer Schublade anstatt einem kleinen runden Knauf ein großer Eckiger. Entscheidend ist aber immer der Gesamteindruck, dieser muss für einen Unbedarften deutlich machen, dass es ein neues Design ist.

Noch etwas wichtiges, auch wenn das Schutzrecht abgelaufen ist, darfst du keine 100% Kopie erstellen, dass heißt dann Plagiat und ist so oder so nicht zulässig. Hier genügen aber schon kleine Abweichungen vom Original.

Das ganze zählt auch nur wenn Ihr die Produkte verkauft, falls ihr die für den Eigenbedarf herstellt, greift das Schutzrecht nicht.

Ob ein Designschutz eingetragen ist kannst Du beim DPMA online prüfen. Da kannst Du nach Firmen, Herstellern oder auch Personen suchen und schauen ob diese ein Geschmacksmuster eingetragen haben.
 

werists

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seschmi

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Da sieht man, wie kompliziert das ist - es sieht ja so aus, als habe die Vorinstanz das anders gesehen. Es ist auch kein Zufall, dass Hersteller solcher „Imitate“ häufig in Italien oder England sitzen. Dort geht die Rechtssprechung wohl eher gegen Urheberrechtsschutz für Möbel...

Zanotta wird übrigens auf der Internetseite der Bill-Stiftung als Hersteller eines modifizierten Hockers erwähnt. Daher würde ich denken, dass hier irgendeine Einigung besteht.

Um aber die Ursprungsfrage zu beantworten: Eine gewerbliche Herstellung von etwas, was wie ein Ulmer Hocker aussieht, birgt doch erhebliche rechtliche Risiken.

Bau also lieber einen anderen Hocker nach (klassisch mit drei oder vier Beinen), das hat weniger Risiko.

Ich persönlich finde den Ulmer Hocker ja weder praktisch noch schön - das alleine beweist ja, dass es Kunst sein muss. :emoji_slight_smile:
 

Holz-Fritze

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Danke für die Rückmeldungen und Einschätzungen!

Gerade habe ich noch ein Gerichtsurteil aus der Schweiz zu einem Max-Bill-Design gefunden: https://www.buchzik.ch/blog-bersich...t-urheberschutz-fr-hfg-barhocker-von-max-bill
Für den HfG-Barhocker wird der Schutz durch das Uhrheberrecht (zumindest in der Schweiz) bejaht.
Dann ist es zumindest schon mal für die Schweiz klar. Deutschland verlangt da etwas mehr, wie schon geschrieben muss in Deutschland ein künstlerischen Überschuss vorhanden sein. In der Schweiz reicht "dass über eine rein handwerkliche oder industrielle Arbeit hinaus eine individuelle künstlerische Gestaltung erkennbar ist, die sich von den vorbekannten Formen deutlich unterscheidet,"

Schwierig. Ich würde es auch in Deutschland nicht darauf ankommen lassen.
 
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