Ich wäre ebenfalls an einer Vertiefung des Themas interessiert, vor allem, wenn es hier Praktiker gibt, die dazu etwas beitragen können.
Guten Abend,
ich bin Kaufmann und kein Verfahrenstechniker. Dazu noch in einem Kunststoffmahlbetrieb tätig, sprich wir bilden nur einen Teil der Recyclingkette ab, produzieren aber keine Kunststoffgranulate oder gar Kunststoffprodukte. Letztlich verarbeiten wir bei uns zwar PVC, aber keine PVC Fenster.
Daher kann ich zum Thema Einsetzbarkeit von Recyclingkunststoffen in der Fensterproduktion nur bedingt verlässlich Auskunft geben aber zwei drei allgemeinere Sätze zum Kunststoffrecycling beitragen, sowie meine Sicht als Müllmann zum Thema Fenster:
Die inflationäre Nutzung von Kunststoffen in unserem Leben ist eine Katastrophe. Auch wenn ich damit meine Brötchen verdiene, versuche ich auf so viel Kunststoff wie möglich zu verzichten. Wir tun uns, unseren Kindern und dem Planeten keinen Gefallen damit. Ohne geht es aber auch nicht. Wenn wir offenen Auges durch unsere Wohnungen und Häuser gehen, finden wir an jeder Ecke "Plastikprodukte". Wohlgemerkt: Es heißt Kunststoff, nicht Plastik.
Also mussten Verfahren entwickelt werden um aus Altkunststoffen wieder neues machen zu können. Hierbei unterscheidet man insb. in zwei Bereiche, post-consumer und post-industry.
Post-Consumer ist alles gebrauchte aus dem privatem wie gewerblichen Bereich. Das reicht vom TFT Monitor über die Zahnbürste bis hin zu den DSD-Abfällen (Gelber Sack), wohingegen Post-industry vor allem Produktionsabfälle, Fehlchargen, etc. sind.
Der größte Teil der post-consumer Abfälle sind für Recycler eine Katastrophe. Und hier hat
@jankees vollkommen recht:
Der Stand der Aufklärung in der Öffentlichkeit ist nämlich erschreckend, da haben die Lobbys mal wieder ganze Arbeit geleistet.
Der Gelbe Sack, oder die Gelbe Tonne suggeriert, dass wir durch Mülltrennung etwas gutes tun. Dabei ist das Quatsch. Ein großer Teil unserer Verpackungen, insb. im Lebensmittelbereich, sind stand heute nicht oder nicht wirtschaftlich recyclingfähig. Wurstverpackung besteht bspw. idR aus einem Verbund aus PE (Polyethylen) und PA (Polyamid). Theoretisch ist es mittels Chemie möglich diese Verpackungen zu recyclen und es gibt auch Anlagen in denen es versucht wird, stand heute ist's aber nicht wirtschaftlich. Also werden solche Abfälle weiterhin verbrannt - und hier kommt die Lobby ins Spiel. Recycling bedeutet nichts anders, als aus einem Abfallprodukt etwas anders, nutzbares zu schaffen.
Wenn ich einen Kunststoff verbrenne, erzeuge ich damit Hitze und Energie. Ich habe durch "Veränderung" einen Nutzen, man spricht dabei von thermischer Verwertung. Das führt zu dem Irrsinn, dass eine jede verbrannte Verpackung als verwertete - sprich recycelt - gilt.
Hinzukommt, dass viele Verpackungen nicht "made for recycling" sind, stattdessen erfolgt, mit Verweis auf den Umweltschutz, das krasse Gegenteil: Ein jeder hier kennt wahrscheinlich Butter in Kunststoffbechern. Die meisten dieser PP (Polypropylen) Becher waren früher einfach bedruckt und somit grundsätzlich gut zu recyclen. Allerdings gibt's seit einiger Zeit den Trend die PP Becher nicht mehr zu bedrucken, sondern stattdessen mit einer Banderole aus Graukarton zum ummanteln. Das Ergebnis ist ein nicht recyclingfähiges Produkt, dass verbrannt wird (außer natürlich, wir braven Konsumenten knibbeln den Graukarton ab und geben ihn ins Altpapier). Diese Form des "Greenwashings" gibt es zu Hauf.
Losgelöst davon, ob sich der Graukarton technisch gut vom Becher trennen lassen würde: Kunststoffabfälle aus den Privathaushalten werden heutzutage zu meist automatisiert separiert, bspw. durch Nahinfrarot (NIR). Hierbei wird per Infrarot der Kunststoff erkannt und entsprechend aussortiert. Schießt der Infrarotlaser auf die Butter mit Pappe, wird sie "rausgeschossen" und ladet im Müll. Der Laser kann nicht erkennen, ob unter dem Karton noch etwas schönes ist.
Diese Sortierung ist aber ungemein wichtig, denn nur sortenreine Materialien lassen sich gut im Recycling wiederverwenden. Unterschiedliche Kunststoffe können, wenn durchmischt, technisch nicht weiterverarbeitet werden, oder führen zu einem minderwertigem Produkt, dass im besten Falle nur Farbschlieren aufweist oder eine raue Haptik. Im schlimmsten Falle aber schnell bricht oder schnell porös wird oder sonstige technische Anforderungen nicht einhalten kann.
Und da kommen wir zu den post-industry Abfällen. Diese Produktionsabfälle sind zu meist sauber und frei von Fremdpolymeren und anderen Störstoffen. Hier ist "closed loop" oft möglich. Wir verarbeiten bsw. Kunststoffe eines Caravanherstellers, dessen Randabschnitte verarbeitet und anschließend zu 100% in seiner Produktion wieder eingesetzt werden können.
Fenster und Rollläden aus PVC sind im Recycling deshalb interessant, weil sie einfach zu erkennen und einfach zu separieren sind. Ihr glaubt gar nicht, wie oft es bereits beim Entsorger scheitert, die Kunststoffe zu erkennen und zu separieren, frei nach dem Motto: "Ist doch alles Plastik". Bei Fenstern ist es einfach. Sie sind alle aus PVC und jeder Depp erkennt sie. Hinzu kommt, dass sie idR mono weiß sind und deshalb wieder zu einem weißen Produkt verarbeitet werden können (ein farbiger Kunststoff wird niemals wieder weiß).
PVC gilt gemeinhin in unserer Branche als gut recyclefähig und das ist auch gut so, denn Polyvinylchlorid darf auf Grund der entstehenden Chlorwasserstoffdämpfe nicht verbrannt werden (eine Ausnahme sind PVC Kabel, damit macht kaum noch jemand etwas sinnvolles).
Egal welcher Hersteller der Neuware (virgin Kunststoffe), die technischen Eigenschaften des PVCs für die Fensterherstellung sind immer ident oder sich sehr ähnlich. Das führt dazu, dass Fensterverarbeiter alle (Alt-)Fenster zusammenwerfen können und dennoch eine gleichbleibende, homogene Qualität bekommen, die den technischen Eigenschaften der Neuware gut entspricht. Ganz ähnlich verhält es sich bei der PET-A Getränkeflaschen.
Wenn das Recyclingmaterial weitestgehend den technischen Eigenschaften der Neuware entspricht, kann es auch bedenkenlos zur Herstellung von neuen Fensterprofilen verwendet werden. Die am häufigsten auftretenden Störstoffe, wie Glas, Holz, Mineralik, lassen sich separieren, Artfremde Polymere sind gut und einfach zu erkennen.
In Deutschland haben wir zwei große Fensterverarbeiter, die DEKURA in Höxter und die VEKA in Bayern(?). Sehr groß ist auch Deceuninck in Belgien, seines Zeichens auch Fensterproduzent. Der Markt für PVC Profile aus dem Rückbau ist - auch in der heutigen schwierigen Zeit - sehr umkämpft. Alle Verarbeiter suchen Mengen und da sie alle Wirtschaftsunternehmen sind, machen sie's gewiss nicht der Liebe zur Umwelt wegen, sondern weil Recyclingmaterial zu meist günstiger ist als Neuware. Wie eingangs erwähnt: Ich bin Kaufmann, kein Chemiker. Aber es würde mich schwer wundern, wenn diese Unternehmen viel Zeit und Ressourcen in die Beschaffung von Altfenstern investieren würden, wenn sie deren Rezyklat nicht in Ihrer Produktion einsetzen könnten. Ferner gibt es einige Initiativen, wie bspw. "Rewindow", die sich dem Recyclen von Altfenstern verschrieben haben.
Und selbst wenn ein nicht unerheblicher Teil der PVC Fenster nicht wieder zu neuen Fenstern verarbeitet werden würde / könnte, gibt es noch immer Anwendungen dafür, bspw. in der Herstellung von PVC Rohren. Ja, eine minderwertigere Anwendung, aber noch immer besser als "wegschmeißen".
Wir Müllmänner sind gewiss keine grünen Engel, aber auch nicht die Bösen. Auch in unserer Branche gibt es schwarze Schafe, aber letztlich sind wir Abhängig davon, was die Marketingabteilungen und Produktdesigner dieser Welt sich ausdenken. Unsere Aufgabe ist es dann, daraus noch etwas sinnvolles zu schaffen und dabei machen es uns die Verpackungshersteller leider häufig sehr schwer. Schön wäre es, wenn endlich mehr Produkte "made for recycling" entstehen würden. Das würde zwar für uns als Konsumenten viel Veränderung bedeuten, wäre aber aus Umweltsicht mehr als sinnvoll. Nur da wäre die Politik gefragt und da kommen wieder die Lobbyisten ins Spiel...
Abschließend: Ich wollte eigentlich nur zwei drei Sätze schreiben - jetzt sinds doch ein paar mehr geworden. Sorry, aber mein Beruf ist für mich auch ein stückweit Berufung. Vieles ist natürlich oberflächlich und vereinfacht dargestellt. Dafür sind wir hier ein Holz- und kein Müllforum.
Als Müllmann lernt man: "Vermeiden vor Verwerten vor Beseitigen". Der erste Punkt ist der Wichtigste und da sind (auch) wir Konsumenten gefragt.