Hallo
@Túrin,
danke für die Gedanken.
Meine Anfrage war nicht negativ als Kritik am Förster an sich gemeint. Eher als Interesse an der Arbeit direkt vor Ort. Und ja, sich über so ein Forum hinweg zu unterhalten ist nicht ganz einfach.
Vor über vierzig Jahren habe ich tatsächlich viel Freizeit im Wald bei einem Förster verbracht. Sowohl im oberbayerischen, als auch im baden-würtembergischen und im fränkischen Raum.
Die damaligen Probleme waren die gleichen wie heute, nur ist es heutzutage schlimmer geworden. Damals hatten wir ja die Diskussion um den sauren Regen. Das war auch in etwa der Zeitpunkt, als der bayerische Wald zum Naturpark erhoben wurde, als Experiment, ob man etwas anders machen kann. Wilder Protest damals von Landwirten und Förstern, die befürchteten, das eine ganze Region stirbt, wenn der deutsche Wald verkommt.
Es hat lange gedauert, bis das Bewusstsein gewachsen ist, dass der Waldboden eine eigene Welt darstellt, mit Insekten, Bakterien, Pilzen usw, genauso wie die Baumwipfel und -Kronen eine ganz andere Biosphäre bilden.
Ich kann mich an Diskussionen zwischen einem Staatsförster und einem Verwalter privater Forstflächen erinnern. Der eine hat den Wald halb verwildern lassen, der andere liess jedes Totholz penibel aufsammeln, quasi den Wald durchfegen. Das war ein hitziger Streit. Ein Förster ist nicht nur ausführendes Organ, er hat schon auch Gestaltungsmöglichkeiten.
Aktuell die Diskussionen zwischen Jagdverbänden und dem BUND ob es sinnvoll ist die Abschussraten beim Rehwild zu erhöhen, um den Verbiss zu verringern. Soll man Schonungen einzäunen oder nicht? Da scheint es keine Einigkeit zu geben.
Die Flurbereinigung in den siebzigern, die vieles kaputt gemacht hat. Erst langsam hat man dann begriffen wie wichtig es ist, natürlich gewachsene Waldränder zu erhalten, Büsche und kleine Gehölze wieder anzulegen, Fluss- und Bachbegradigungen zurückzubauen.
Letztens hat mir Jemand erzählt, dass gerade die staatlichen Forstämter wesentlich kreativer und experimenteller Arbeiten können, weil sich nicht diesem betriebswirtschaftlichen Druck eines Privatforstes ausgesetzt sind.
Den Wald zu verändern kostet Zeit, dauert Jahrzehnte. Es ist doch aber wichtig zu erkennen, das Wald kein Acker ist, der eine reine Erntefläche darstellt, sondern ein eigener Organismus, ein in sich geschlossenes, sensibles System. Dieses System ist durch die Monokultur geschwächt und wird aktuell durch klimatische Angriffe von aussen bedroht.
Das Abschmelzen der Gletscher in den Bergen, die Abnahme an Regen in der weiten Fläche lassen die Böden austrocknen und schädigen die Fläche dauerhaft durch Verwüstung. Die Zersiedlung, die Unterbrechung durch die Infrastruktur in immer kleinere Einheiten schwächen das System Wald.
Der Harz z.B. wandelt sich zu einer Trockenfläche, die nur noch schwer zu retten scheint. Auch da gab es ja vor über vierzig Jahren diese verherrenden Brände ausgelöst durch Trockenheit im Harz und der Lüneburger Heide. Es hat viel Zeit für die Erholung gebraucht. Und jetzt geht das schon wieder kaputt.
Heute wächst das Bewusstsein, dass ein Mischwald besser vor diesen Bränden geschützt ist. Aber auch das hat man damals eigentlich schon gewusst, es aber beflissentlich ignoriert. Das liegt natürlich an den verschiedenen Interessengruppen, an wechselnden politischen Zielformulierungen und wirtschaftlichem Gewinnstreben.
Mich interessiert, welche langfristigen Pläne existieren, ob es eine breite Diskussion gibt, oder jedes Forstamt alleine vor sich hinwurschtelt. Mich interessiert, was der Förster sich bei dem Anblick dieser Totflächen auf dem Foto denkt.
Das war jetzt vielleicht ein etwas wirres Geschreibsel, sollte doch aber verdeutlichen wie wichtig und bedeutsam das Thema Wald doch für alle sein sollte. Und man sollte sich beim Anblick jeder Fichtenlatte und jeden Buchenbretts immer wieder bewusst werden, dass es Jahrzehnte gedauert hat bis wir das nutzen konnten. Holz ist eben nicht ein immerwährend verfügbares Konsumprodukt.
Besten Gruß Marcus