Die Handbohrmaschinen und Winkelschleifer aus DDR-Produktion waren eine einzige Katastrophe, da war eine Bosch grün um Längen besser. Das war immer das Erste, was sich Heimwerker aus dem Westen besorgten.
Hallo Winfried,
ich will Dir ja nicht zu nahe treten, aber da spricht der Blinde von der Farbigkeit der Welt. Die Qualität daraus abzuleiten, dass "Ossis" sich Dinge aus dem Westen besorgten, ist einfach nur schlicht. Die "Ossis" haben 1990 auch scharenweise uralte Asconas, Golfs und Kadetts gekauft, weil sie meinten, dass unbedingt besser sein muss, was aus dem gelobten Land der untergehenden Sonne kommt...
Zu den Fakten: Die Qualität der Eibenstockmaschinen bspw. war so gut, dass die Firma auch heute noch - nach 100 Jahren Firmengeschichte - am Markt ist. Deren Produkte gibt's freilich nicht, wo die "um Längen besseren grünen Boschs" über den Ladentisch gehen.
Apropos Bosch. Know How und Tradition des VEB Elektrowerkzeuge Sebnitz haben die Robert-Bosch-Jungs in Wendezeiten nicht lange überlegen lassen, die Firma zu übernehmen - und noch heute mit rund 500 Leuten im Osten Sachsens zu produzieren.
Wer Wirtschaft auch nur im Ansatz verstanden hat, weiß, was die beiden unterschiedlichen Systeme antrieb... und in einem Falle noch heute antreibt. Im Westen wird Nachfrage befriedigt. Und damit der Kreisel am Drehen bleibt, auch produziert. Bis hin zur geplanten Obsoleszenz. Im Osten wurde - meist mehr schlecht als recht - Mangel befriedigt. Da musste niemand dafür sorgen, dass ein Gerät möglichst bald nachgekauft wurde.
Wo immer es ging wurde eher nach dem Prinzip entwickelt und gebaut, dass Dinge möglichst robust, einfach und langlebig waren. Gebaut für die Ewigkeit, hat Prof. Dr. Markus Krajewski (
Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen) mal in einem Interview zum Besten gegeben: "Im Westen gab es ungleich seltener Rohstoffknappheiten. (...) Im Osten dominierte dagegen das Prinzip des Mangels. Es fehlte an Bauteilen, Rohstoffen, Produktionskapazitäten und manchmal auch an Konkurrenz. (...) Es war wichtig, die Ressourcen möglichst sparsam zu verwenden. Die Geräte sollten so konzipiert sein, dass sie lange benutzt werden konnten und wenn sie doch einmal kaputt gingen, musste man sie schnell reparieren können."
Das gelang manchmal so gut, dass das Ergebnis heute noch unverwüstlich, wengleich auf einem, oftmals - sagen wir mal freundlich: technisch frühem Stand - ist.
Über eine alte Eibenstock-Bohrmaschine im Vollmetallgehäuse kann auch schon einmal ein Auto rollen, ohne die zu zerstören. Allerdings gibt's da freilich oft nicht einmal Rechts-/links-Lauf und natürlich gibt es da weder Sanftanlauf, noch Konstantelektronik, ja nicht einmal eine Drehzahleinstellung. Letztlich "profitierte" diese Geräteliga auch davon, dass neue Kunststoffe im Westen schon Einzug hielten, als im Osten wegen Rohstoffmangels noch Maschinenbau wie zwanzig Jahre zuvor üblich war.
Apropos Maschinenbau. Der hat bspw. in Sachsen eine lange Tradition und stand da schon zu einer Zeit in Blüte, als man gar nicht so weit weg von Nürtingen noch Löffel schnitzte und der Kuckucksuhrenbau ein karges Leben ermöglichte.
Manche der alten Kirchner-Eisenschweine bspw. tun heute noch Dienst - die Kirchner & Co. AG wurde 1878 gegründet. "Der wahre Werth der Produktion besteht im Ueberbieten der Qualität" (
SLUB Dresden: Werkansicht:). Das ist doch mal eine Firmenphilosophie…
Eigentlich ist das Dilemma ja auch verständlich: Bevor nach 1945 das Land zerrissen ward, funktionierte das Land als Ganzes und begründete damit den Ruf von „Made in Germany“. Danach war bspw. die komplette Montanindustrie für den Osten tief im Westen verschwunden. Das wenige, was im Osten zu holen war, wurde auch geholt – von den Russen, die ganze Fabriken als Wiedergutmachung abbauten.
Aber zurück zum Thema. Manchmal gelang das auch weniger gut. Weil der Nachfragedruck in der Mangelwirtschaft so groß war, dass die Genossen sich schon ab den Siebzigern Gedanken machen mussten, wie sie den Druck aus dem Kessel bekommen. Das Ergebnis war die sogenannte "Konsumgüterinitiative". Da wurden, beginnend ab den Siebzigern und ziemlich massiv ab den Achtzigern, alle möglichen Industriebetriebe dazu verdonnert, ich sage mal salopp: Irgendwas für die Befriedigung der Nachfrage der Bevölkerung herzustellen.
Selbst das konnte gutgehen, wenn dabei bspw. so etwas entstand, wie meine kleine Bandsäge, die seinerzeit im VEB Lokomotivbau Leipzig hergestellt wurde. Die Jungs in dessen Konstruktionsabteilung waren offenbar gewohnt, einfach aber robust zu bauen. Das Ding läuft heute wie am ersten Tag. Mittlerweile zwar mit anderen Führungen, Selbsthalteschaltung und Frequenzumrichter, aber immer noch mit dem Originalmotor.
Die "Konsumgüterinitiative" konnte aber auch schief gehen. Vielfach tat sie das fast folgerichtig, was kaum verwunderlich ist, wenn Textilbetriebe aus der kleinen Truppe heraus, die eigentlich nur den eigenen Maschinenpark irgendwie am Laufen halten sollte, plötzlich in Metallbau fürs Endkundengeschäft machten.
In der Regel gab es in jedem Betrieb – ich kenne das bspw. aus der Textilbude, in der mein Vater arbeitete – wenigstens eine Abteilung „Ratiomittelbau“, in der mit viel Erfindungsreichtum und Improvisation dafür gesorgt wurde, dass die Produktion am Leben blieb.
Bei meinem Vater gab’s eine komplett ausgetattete Tischlerei, eine ebenso komplette Schlosserei, eine Elektrowerkstatt, eine eigene Maurertruppe und eine Handvoll Sanitärinstallateure. In der Schlosserei wurden bspw. Walzen wieder und wieder aufgeschweißt und abgedreht. Wie gesagt: Wir sprechen von einem Textilveredlungsbetrieb. Und daraus entstand vielfach die „Konsumgüterproduktion“.
Die für Ostler sagenumwobene Multimax-Bohrmaschine bspw. (und deren teilweise abstrusen "Vorsätze" von der Drechselbank bis zur Heckenschere...) bspw. wurde zuletzt in diversen Ostbetrieben gefertigt... dennoch, ohne die angestaute Nachfrage auch nur im Ansatz befriedigen zu können. Das Ding gab's in zwei Varianten. Der normale "Ossi" war schon froh, wenn er die einfache ohne Drehzahlstellung und Co. ergattern konnte.
Das Ding mag einer frühen grünen Bosch entsprechen. Und spätestens da schließt sich der Kreis: Natürlich war der ostdeutsche Heimwerker ganz versessen darauf, endlich mal eine echte BOSCH in den Händen zu halten.
LG,
Falk
...edit:
In der Mikroelektronik waren die vielleicht noch am innovationsfreundlichsten, aber auch 10-15 Jahre dem Westen hinterher.
Auch das kann man eigentlich nicht so stehen lassen. Die Mikroelektronik hinkte in Produktion und Technologie dem Westen weit hinterher. Die Grundlagenforschung auf dem Gebiet war dagegen ziemlich beachtlich.
Es war vor allem das
CoCom-Embargo, dass dafür sorgte, dass man im Osten Forschungsergebnisse in dem Bereich nicht in Produkte umsetzen konnte. Vom vielbeachteten
1-MBit-Speicherschaltkreis konnte man nur deshalb überhaupt wenigstens eine Handvoll produzieren, die man öffentlichkeitswirksam in der Aktuellen Kamera Herrn Honnecker übergeben konnte, weil die Stasi vorher unter Umgehung der CoCom-Regeln die Voraussetzungen schaffte.
Aber ein "bisschen" was vom Erfindungsreichtum in dem Bereich ist erhalten geblieben. Das ZMD Dresden bswp. existiert noch heute im
"Silicon Saxony"...