@inselino: In der Realität haben wir Fachkräftemangel, und Angestellte können jederzeit kommentarlos kündigen. Wahrscheinlich bekommen sie im neuen Job eh mehr Lohn. Daher: Der Freifahrtschein existiert für Angestellte, aber quasi nicht für Arbeitgeber.
@Alos: "Die Schuld den Mitarbeitern zuzuschieben ist nicht fair" <= Die muss nicht immer zugeschoben werden, nicht selten liegt die Schuld ursächlich beim Mitarbeiter. Bei der Auftragsannahme nicht, klar. Aber nach wie vor: Was lässt euch glauben, das Mitarbeiter weniger Mist bauen als Chefs? Bei uns gibt es ein Dutzend Mitarbeiter, selbstverständlich bauen die in Summe viel mehr Mist als ich. Wobei ich gut im Rennen liege, soviel Ehrlichkeit muss sein
"Der Chef trägt die Verantwortung und ist i.d.R. auch schuld wenn was schief läuft. Denn er ist der einzige der was ändern kann."
Ja, das wird sicherlich immer wieder mal so sein. Aber eben häufig auch nicht. Da wurde alles perfekt geplant, und dann war plötzlich kein Material zu bekommen. Baustelle ist super wichtig, Geld ist genug vorhanden. Sobald das Material verfügbar ist, muss es weitergehen. Und nun kommst Du Super-Chef, und bringst das zu einem unbekannten Zeitpunkt ohne Überstunden unter.
Mir fällt dazu ohne Überstunden nur ein, dem Kunden zu sagen dass er dran ist wenn wir Zeit haben werden. Er wird mir eine Kündigung senden, und ich bin den guten Kunden dauerhaft los. Daran bin ich als Chef dann wahrscheinlich auch Schuld, ich bin ja die planerische Niete.
Ich glaube, ihr habt keine Vorstellung von der Komplexität, eine mittelkleine Firma zu führen. Klingt für mich wie Erziehungstipps von Nicht-Eltern.
"Und wenn Mitarbeiter "genauso viel Mist" bauen, dann liegt das oft an der Motivation = suboptimaler Führung oder zu hohem Zeitdruck."
Ja. Oder schlicht an schlechten Mitarbeitern. Nun höre doch mal mit dem Märchen auf, dass Mitarbeiter-Menschen super und fehlerfrei sind, und dass sie, sobald in eine Führungsposition befördert, zu kompletten Versagern werden. Das ist ja finsterstes Sozialisten-Mittelalter.
Höre Dich doch mal auf der Baustelle oder im Sozialraum um. Wenn Du da nur Leute findest, die pro Firma denken und agieren: Glückwunsch. Ich habe tatsächlich fast komplett solche Leute. Ich kenne aber genug andere, die die Firma übervorteilen wo sie können. Wieviele Beispiele hättest Du gerne, aus welchem Bereich: Zeit, Werkzeug, Firmeneigentum, Spesen, Kundeneigentum, Materialeinsatz...
Um Missverständnisse zu vermeiden: Meine Leute sind fast alle übernommene Azubis und seitdem bei uns. Wechselquote bei einem Dutzend Mitarbeitern: Etwa alle ein bis zwei Jahre ein Wechsel. Meiner Ansicht nach ist das ein deutliches Indiz, dass meine Leute sich bei mir wohlfühlen. Ich scheine also kein Arbeitgeber-Arschloch zu sein. Im Detail treffe ich ständig falsche Entscheidungen, meine Leute ebenso. Die meisten der falschen Entscheidungen sind nicht dramatisch, manche schon, auf beiden Seiten.
Meine besondere Position in der Firma ist, dass ich bei guten Aufträgen eine Gewinnausschüttung beschliessen kann, und bei schlechten Aufträge mir kein Gehalt auszahle, damit alle anderen eines bekommen. Zudem bin ich leider der Einzige mit einem kompletten Überblick. Deswegen müssen mir die Leute trauen, wenn ich eine Entscheidung fälle.
Und bevor als nächstes Sozial-Bashing gesagt wird, dass ich ja Herrschaftswissen im hohen Turm betreibe, wenn ich der einzige bin, der den kompletten Überblick hat: Ich versuche, drei Mitarbeiter auf meinen Stand zu bringen, nur gelang das bisher nicht. Zum einen ist es eine Zeitfrage, alles was ich mitbekomme immer weiterzugeben, zum anderen passiert viel in meinem Kopf, was die drei Kandidaten nicht immer nachvollziehen können. Ich bin halt der Visionär bei uns, und auch deswegen müssen Mitarbeiter meinen Entscheidungen folgen. Klar dürfen sie die bezweifeln, sind regelmässig aufgefordert mir zu sagen wenn ich Mist erzähle. Wir besprechen das häufig in der Runde, und im Allgemeinen stimmen sie mir nachher zu, dass meine Entscheidung korrekt ist.
Eine mögliche solche Entscheidung könnte sein, dass wir ein paar Monate Überstunden schieben. Kommt bei uns zum Glück quasi nicht vor. Wenn die Umstände es erfordern, würde ich aber keinen Moment zögern. Sinnvollerweise mit vorheriger Absprache mit den Leuten, womit wir wieder beim Reden wären, was ich dem TE empfohlen habe.
Mein Leitspruch ist übrigens: "Die guten Mitarbeiter gehen als erstes" [weil sie leicht einen anderen Job bekommen]. Ich versuche also so einen Kurs zu segeln, dass die besten Mitarbeiter gerne hier arbeiten. Für die anderen ist es als Beifang im Allgemeinen noch besser. Dennoch sage ich auch: Wenn Du zuverlässig 100% des Gehaltes ausgezahlt haben willst, dann fordere ich im Gegenzug 100% Leistung. 120% muss nicht sein, dass bezahle ich auch nicht. 90% reicht mir aber nicht. Wenn Du gestern gesoffen hast und heute Kopfschmerzen hast, dann wirst Du halt mit Kopfschmerzen arbeiten (oder Urlaub nehmen).
Um das nächste falsche Vorurteil gleich zu ersticken: Bei uns gilt "krank ist krank". Wenn jemand sich krank meldet, dann ist das so. Ich vertraue drauf, dass die Leute das richtig einschätzen. Geht mich nichts an, was sie haben, ob das vermeidbar gewesen wäre (was übrigens gemäß Arbeitsvertrag zu vermeiden wäre
). Mich geht nur etwas an, wie lange es wohl dauern wird, damit ich plannen kann. Wobei Du ja meinen könntest, dass ich planerisch versage, wenn sich drei Mitarbeiter krank melden und die anderen dann mehr erledigen müssen. Wahrscheinlich wäre es besser, ich würde drei weitere Mitarbeiter einstellen, um diesen Fall abzufangen. Ach ja, Du bist ja garnicht Unternehmer, redest ja wie die Jungfrau vom Kinde
Quintessenz: Lasst uns miteinander reden und versuchen, eine Lösung zu finden.