Handwerker und die Zukunft des Handwerks

Holzfummler

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Moin,
vielleicht mal ein bisschen andes.
Was waren denn die Ursachen für den langen Wirbel im Video?
Sand und Tücher fallen ja nicht mal so vom Himmel (von Vulkanausbrüchen und Saharastürmen mal abgesehen).
Warum wird immer nach zwischen Ausbildung und Studium unteschieden? Beides ist eine Ausbildung, die Art und Weise ist anders.
Warum wechseln so viele innerhalb ihres Berufslebens den Beruf? Vielleicht auch, weil Jugendlicher mit 14/16/18 noch gar keine klare Vorstellung hat?
Warum hat es eine Minderheit wie gradliniege Handwerker es schwer, angemessen bezahlt zu werden?
Wie liesse es sich ändern?
...?
LG
Thomas
 

FredT

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Der Unterschied ergibt sich (meistens) aus der Länge der Schulbildungszeit: 10 oder 12/13 Jahre. Die Wechsel heute sind auch mit der Vorstellung, falschen Eindrücken und mangelnder Berufs"vor"bildung zu suchen. Man kann (oder will) sich nicht mehr festlegen oder ausprobieren. Wir hatten dafür früher den Unterrichtstag, wo man Eindrücke sammeln konnte, Grundlagen erfuhr. Das ging in den unteren klassen schon im Werkunterricht los und setzte sich dann fort. Mit 16/17 zum Schulabschluß gab es, auch elternhausgeprägt, schon doch recht klare Vorstellungen. Betriebsbesichtigungen, Patenbrigade, Ferientätigkeit, etc. haben da mitgeformt... Und letztere war nicht nur immer Hilfsarbeit, aber altersadäquat.
Angemessene Bezahlung: weil es bisher als "chic" galt, nicht im Tarifverband zu sein und sein "eigenes" Süppchen in "Innung" oder sonstwie zu kochen. Keine Einheitlichkeit im förderalen System schafft Löcher und auch viel Raum für Zweifelhaftes. Das "Überangebot" an Arbeitswilligen in vergangenen Jahren ließ da zusätzlich Möglichkeiten sprießen. Das isz zwar vorbei, allerdings noch nicht in jedem Kopf angekommen. Also Tarifvertragspflicht und Allgemeinverbindlichkeit, wie das in anderen Industriebereichen längst üblich ist
 

Seanathair

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...
Warum wird immer nach zwischen Ausbildung und Studium unteschieden? Beides ist eine Ausbildung, die Art und Weise ist anders.
...
Stimmt, auch das Studium wird in vielen Bereich immer mehr zu einer Ausbildung und immer weniger zu einer Bildung.
Warum wechseln so viele innerhalb ihres Berufslebens den Beruf? Vielleicht auch, weil Jugendlicher mit 14/16/18 noch gar keine klare Vorstellung hat?
Weil sie es können. Auch studierende mit ende 20 haben nicht immer eine klare Vorstellung. Mit 50 wechseln sie dann vom Manger zum Lama-Züchter oder Weinbauern.
Warum hat es eine Minderheit wie gradliniege Handwerker es schwer, angemessen bezahlt zu werden?
Freie Marktwirtschaft und monetäre Wirtschaft.
Wie liesse es sich ändern?
Andere Wirtschaftsform. Z.B. Arbeit gegen Arbeit. Wenn ein Arzt mich 10min untersucht, mähe ich dafür 10min seinen Rasen.:emoji_grin:
 

Holzfummler

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ok, habe mich falsch ausgedrück.

Die Frage, die jeder sich stellen kann, lautet: wie kann ich es ändern?
LG
Thomas
 

weissbuche

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Wenn ich in die Schule gegangen bin, kam ich an der Molkerei, an einer Bäckerei, einem Steinmetzbetrieb, einer Tischlerei, einer Schmiede, einer Schlosserei und einem Landhandel vorbei. Überall waren im Sommer die Türen auf, beim Bäcker die Fenster (gab auchmal ein Brötchen das ein wenig zu dunkel geworden war). Das war unser "Schnupperkurs". Wir konnten zuschauen und wußten was da gemacht wurde. Heute gibt es nichts von diesen Sachen mehr. Wenn ich meinen Schulweg heute ablaufe, kann ich zwar an 3 Stellen auf der Straße Kaffee trinken aber keinen Handwerksbetrieb mehr sehen. Ist jetzt alles im Gewerbebetrieb, wenn es das überhaupt noch gibt. Früher ging man nach der Arbeit in Arbeitsklamotten ein Bier trinken, heute wird man da komisch angesehen. Für uns war Handwerk allgegenwärtig, das hat sich heute, glaube ich, sehr geändert. In den Medien liest man ständig, wie gefährlich es in den Werkstätten und auf den Baustellen ist. In zu lauter Umgebung ist man ständig von giftigen Gasen und Stäuben bedroht, dazu der Umgang mit Maschinen, die nur darauf warten arglose Lehrlinge und Gesellen zu zerstückeln. Das führt dazu, daß Lehrlinge die quarzen wie verrückt, nur noch mit Maske rumlaufen und nach dem Gehörschutz schreien wenn der Akkuschrauber bedient wird. Die Musik aus den Stöpsel im Ohr ist aber in der Pause so laut, daß man 2 m daneben noch alles mitbekommt. Außerdem gab es über Jahre keinen Werkunterricht in den Schulen. Auch das ein Grund für mangelndes Interesse an manueller Tätigkeit. Nur mit Geld allein ist diese Miesere nicht zu beheben. Wir brauchen wieder mehr Leute die ein wenig für ihren Beruf brennen und einen gewissen Stolz auf ihr Handwerk entwickeln.
 

Mr.Ditschy

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Den Wandel der Geschäfte hat doch jeder von uns mit geprägt, also darüber nun zu jammern ist nicht Fair.
Und welchen Berufsweg jemand geht, liegt auch viel an der Erziehung usw. ...
 

Seanathair

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Hmm...
Gestern Gespräch im Park mitgehört....
Junge (geschätzt 15 Jahre) zu seiner Mutter:
Ich brauch noch ein Stück Holz zum Üben für mein Praktikum. Fichte oder Kiefer, keine Eiche, davon kriegt man Krebs hat mein Meister gesagt....
Weitere Details spare ich mir.

Mein Vater war Tischler von 1934 bis 1979. Im Alter schwer Lungenkrank durch seinen Beruf und die Verarbeitung von Tropenhölzern ohne die heute vorgschriebene Sicherheitsmaßnahmen. Immerhin wurde er 84.

Unser Sicherheitsbedürfnis steigt mit der gestiegenen Lebenerwartung. Das führt leider häufig zu undifferenzierter Verwendung von Informationen.
 

agnoeo

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Ich fand die "Ich mach's" Beiträge von BR alpha sehr brauchbar für die Kinder um einen ersten Eindruck über eine Vielzahl Berufe zu bekommen. Vom WDR gibt's mit "Passt, wackelt und hat Luft" wohl was ähnliches; habe ich aber noch nicht reingeschaut. Da ist heute schon bisschen mehr drin als der BIZ Katalog.

Gruß, David
 

Holzfummler

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Wir brauchen wieder mehr Leute die ein wenig für ihren Beruf brennen und einen gewissen Stolz auf ihr Handwerk entwickeln.
Moin,
auch, aber Menschen, die die Faszination des mit den "Händen geschaffenen" jungen Menschen zeigen, sie motivieren und fördern.
Wer von uns geht mal in die Schule und zeigt so etwas?
Wer von uns macht denn mal einen Tag der offenen Tür?
Wer von uns kann den "zielgruppen(Jugend)gerecht" so etwas rüberbringen?
Wer von uns kann denn so etwas vorbereiten?
Wer von uns hat die Geduld, jemanden der will aber (noch) nicht so kann, es zu "hundersten" Mal zu erklären/zeigen?
Wer von uns kann den erst einmal 3 positive Sachen sagen und dann ggfs. etwas negatives.
Wer von freut sich, wenn von 100 Jugendlichen einer kommt und Interesse zeigt?

LG
Schones WE
Thomas
 

wasmachen

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Moin,
auch, aber Menschen, die die Faszination des mit den "Händen geschaffenen" jungen Menschen zeigen, sie motivieren und fördern.
Wer von uns geht mal in die Schule und zeigt so etwas?
Wer von uns macht denn mal einen Tag der offenen Tür?
Wer von uns kann den "zielgruppen(Jugend)gerecht" so etwas rüberbringen?
Wer von uns kann denn so etwas vorbereiten?
Wer von uns hat die Geduld, jemanden der will aber (noch) nicht so kann, es zu "hundersten" Mal zu erklären/zeigen?
Wer von uns kann den erst einmal 3 positive Sachen sagen und dann ggfs. etwas negatives.
Wer von freut sich, wenn von 100 Jugendlichen einer kommt und Interesse zeigt?

LG
Schones WE
Thomas

Hast ned unrecht, ist aber auch eine Sache von 'Geben und Nehmen'.
Bei der dir genannten Situation kommts bissl rüber, als ob man jeden totgerittenen Gaul durchbringen muss...
 

FredT

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PA war aber ein ganzer Schultag von 7-12 vierzehntägig im Wechsel mit dem Fach ESP (Einführung in die soz. Produktion). Da gab es 2 Std Theorie in Maschinenkunde und Technologie und zwei Stunden Technisches Zeichnen, noch so richtig mit Bleistift und Papier :emoji_sunglasses:

Insgesamt eine gute Voreinstimmung auf das Berufsleben und die diversen Möglichkeiten. Außerdem dann noch die beliebte Ferienarbeit. Zum Nachteil der Generationen ab 1990 hat man da gekürzt und gespart bis zum Nullstrich. War eben nicht effizient, rechnete sich nicht und war obendrein noch systemaffin. Ergebnisse sind heute mit im Bildungswesen erkennbar, oder warum haben skandinavische Länder, Schweden, Finnland, da bessere Endergebnisse aufzuweisen?
 

Paulisch

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PA war aber ein ganzer Schultag von 7-12 vierzehntägig im Wechsel mit dem Fach ESP (Einführung in die soz. Produktion). Da gab es 2 Std Theorie in Maschinenkunde und Technologie und zwei Stunden Technisches Zeichnen, noch so richtig mit Bleistift und Papier :emoji_sunglasses:

Insgesamt eine gute Voreinstimmung auf das Berufsleben und die diversen Möglichkeiten. Außerdem dann noch die beliebte Ferienarbeit. Zum Nachteil der Generationen ab 1990 hat man da gekürzt und gespart bis zum Nullstrich. War eben nicht effizient, rechnete sich nicht und war obendrein noch systemaffin. Ergebnisse sind heute mit im Bildungswesen erkennbar, oder warum haben skandinavische Länder, Schweden, Finnland, da bessere Endergebnisse aufzuweisen?

Ich selbst wurde erst nach der Wende eingeschult daher kann ich nicht wirklich mitreden.
Finde das Konzept der PA aber super. Wir haben in unserer Bildungseinrichtung „jugendliche“ also unter alles unter 30 Jahre. Die schaffen es nicht 8h zu arbeiten, obwohl der Begriff arbeiten schon ein Witz ist. Wenn die ankommen, schaffen die nichtmal 2h täglich. Fast jeden wird ein eigenes Konzept zur Integration geschrieben an das wir Ausbilder uns halten müssen. Führerschein ist uninteressant weil sie dann vermittelbar sind. Praktikum geht gar nicht, da regnet es gelbe Urlaubsscheine.

Was ich eigentlich sagen möchte, wir sind verloren. Lernt Handwerk und verdient euch dumm und dusselig
 

joh.t.

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Zu DDR-Zeiten war "Werkunterricht" Pflichtfach neben "Schulgarten" und ab 14 wurde man wöchentlich an einem Nachmittag in eine Firma gesteckt oder in die LPG - nannte sich PA (produktive Arbeit).
Moin,
auch, aber Menschen, die die Faszination des mit den "Händen geschaffenen" jungen Menschen zeigen, sie motivieren und fördern.
Wer von uns geht mal in die Schule und zeigt so etwas?
Wer von uns macht denn mal einen Tag der offenen Tür?
Wer von uns kann den "zielgruppen(Jugend)gerecht" so etwas rüberbringen?
Wer von uns kann denn so etwas vorbereiten?
Wer von uns hat die Geduld, jemanden der will aber (noch) nicht so kann, es zu "hundersten" Mal zu erklären/zeigen?
Wer von uns kann den erst einmal 3 positive Sachen sagen und dann ggfs. etwas negatives.
Wer von freut sich, wenn von 100 Jugendlichen einer kommt und Interesse zeigt?

LG
Schones WE
Thomas
Ich habe als Werklehrer in einer Gesamtschule gearbeitet.
Nicht nur im Gehalt ganz unten, ich habe nicht studiert und wurde dann durch einen Architekten ersetzt, sondern auch in der Hackordnung ganz unten.
Eine Nachbarin die Hauswirtschaft in der Schule als Unterricht gegeben hat, hat mir das gleiche erzählt.
"Kochen kann doch jeder..."

Die Arroganz der Akademiker ist immer noch massiv vorhanden.
 

brubu

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Ergebnisse sind heute mit im Bildungswesen erkennbar, oder warum haben skandinavische Länder, Schweden, Finnland, da bessere Endergebnisse aufzuweisen?
Hallo
Danke für diese Hinweise, ich verstehe sie aber nicht weil ich das skandinavische System nicht kenne. Was machen die besser, könntest du es bitte
kurz erklären? Besten Dank im Voraus und schönes Wochenende.
Gruss brubu
 

Ankece

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Vielleicht sollten sich unsere staatlichen Schulen mal etwas an den Waldorfschulen orientieren.

Meine Tochter hat eine besucht und dort läuft es folgendermaßen:
In den unteren Klassen musste jeder Schüler (Jungs und Mädchen) verschiedene Kurse durchlaufen.
Dies waren: Tischler, Schlosser, Elektriker, Schneider und der soziale Bereich, wie Kindergärten oder Behindertenwerkstätten.
Dann konnten sie einen Beruf wählen und dort ihren Abschluss machen.
Die Berufe waren dann halt, Tischler, Mechaniker, Schneider, Elektriker oder Kinderpfleger (alle Berufe auch mit -innen)

Zusätzlich gab es während der Schulzeit noch so Sachen wie, Forstpraktikum und ein Vermessungspraktikum auf der Hallig Hooge.

Die Schulzeit dauert zwar zwei Jahre länger, aber die jungen Leute wissen auf jeden Fall, was zu ihnen passt.

Meine Tochter ist dann Ergotherapeutin geworden, da sie für sich herausgefunden hat, dass sie auf jeden Fall in den sozialen Bereich wollte.
 

seschmi

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Wobei es schon besser wird. Als ich in der Schule war, gab es gar nichts praktisches. Meine Söhne müssen dagegen wenigstens ein Praktikum machen.

Der eine war in der Ausbildungswerkstatt einer großen Firma. Die haben sich wirklich Mühe gegeben und hatten ein richtiges Programm für die Schüler, Metallverarbeitung mit Feilen, Bohren, Fräsen und so weiter, und am Schluss durften sie was mit nach Hause nehmen. Das ist halt für die Firma ein großer Aufwand, der sich kurzfristig nicht auszahlt, hilft aber, Begeisterung für‘s Machen zu wecken. Er ist auch echt begeistert jeden Morgen um 5 aufgestanden und stand um 6 am Werktor.

Ich kenne aus meiner Jugend noch Praktika, wo man vor allem kostenlose Arbeitskraft war. Danach wusste man vor allem, wo man nicht hin will.

Das Bewusstsein, dass man sich anstrengen muss um Nachwuchs zu gewinnen, und dass das zum entscheidenden Faktor für die Zukunft wird und nicht mehr, Aufträge zu gewinnen, entsteht schon.

Einige sind da halt weiter als andere. In der Industrie wie im Handwerk. Ähnliches sehe ich bei Vorstellungsgesprächen: Da ist einigen schon klar, dass sich da auch der Arbeitgeber um einen Mitarbeiter bewirbt und nicht nur der Mitarbeiter um eine Stelle. Aber nicht jedem. Manche sehen das als einseitige Veranstaltung und wundern sich dann, wenn die guten Bewerber woanders hingehen.

Was das Handwerk vielleicht mal überlegen muss, ist, wie man Zuwanderung noch besser nutzt. Ich habe den Eindruck, in der Ausbildung funktioniert das schon gut. Aber für Einwanderer, die in der Heimat schon Handwerker waren, scheint es schwierig zu sein - das deutsche System ist da schon recht speziell. Wie sind da Eure Erfahrungen?
 

Paulisch

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Wobei es schon besser wird. Als ich in der Schule war, gab es gar nichts praktisches. Meine Söhne müssen dagegen wenigstens ein Praktikum machen.

Der eine war in der Ausbildungswerkstatt einer großen Firma. Die haben sich wirklich Mühe gegeben und hatten ein richtiges Programm für die Schüler, Metallverarbeitung mit Feilen, Bohren, Fräsen und so weiter, und am Schluss durften sie was mit nach Hause nehmen. Das ist halt für die Firma ein großer Aufwand, der sich kurzfristig nicht auszahlt, hilft aber, Begeisterung für‘s Machen zu wecken. Er ist auch echt begeistert jeden Morgen um 5 aufgestanden und stand um 6 am Werktor.

Ich kenne aus meiner Jugend noch Praktika, wo man vor allem kostenlose Arbeitskraft war. Danach wusste man vor allem, wo man nicht hin will.

Das Bewusstsein, dass man sich anstrengen muss um Nachwuchs zu gewinnen, und dass das zum entscheidenden Faktor für die Zukunft wird und nicht mehr, Aufträge zu gewinnen, entsteht schon.

Einige sind da halt weiter als andere. In der Industrie wie im Handwerk. Ähnliches sehe ich bei Vorstellungsgesprächen: Da ist einigen schon klar, dass sich da auch der Arbeitgeber um einen Mitarbeiter bewirbt und nicht nur der Mitarbeiter um eine Stelle. Aber nicht jedem. Manche sehen das als einseitige Veranstaltung und wundern sich dann, wenn die guten Bewerber woanders hingehen.

Was das Handwerk vielleicht mal überlegen muss, ist, wie man Zuwanderung noch besser nutzt. Ich habe den Eindruck, in der Ausbildung funktioniert das schon gut. Aber für Einwanderer, die in der Heimat schon Handwerker waren, scheint es schwierig zu sein - das deutsche System ist da schon recht speziell. Wie sind da Eure Erfahrungen?

Ich habe schon mit „Fachkräften“ aus dem Ausland arbeiten dürfen. Ich bin auf jeden Fall geheilt. Derzeit waren fünf angemeldet, keiner kam, dann wurden Dolmetscher gefordert, Fahrdienst gefordert und verkürzte Arbeitszeiten. Wir sind dann darauf eingegangen und überrascht worden, denn wieder kam niemand.
Das waren Leute aus der Ukraine und Syrien.
Dazu muss ich aber sagen das wir zwei Vietnamesinnen haben, die sind sehr fleißig und sprechen nach jetzt 8 Monaten ganz gut unsere Sprache.
 

uli2003

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Wer von uns geht mal in die Schule und zeigt so etwas?
Wer von uns macht denn mal einen Tag der offenen Tür?
Wer von uns kann den "zielgruppen(Jugend)gerecht" so etwas rüberbringen?
Wer von uns kann denn so etwas vorbereiten?
Wer von uns hat die Geduld, jemanden der will aber (noch) nicht so kann, es zu "hundersten" Mal zu erklären/zeigen?
Wer von uns kann den erst einmal 3 positive Sachen sagen und dann ggfs. etwas negatives.
Wer von freut sich, wenn von 100 Jugendlichen einer kommt und Interesse zeigt?
Viele Fragen, haben wir von der Innung und Kammer alles schon versucht und auch gemacht.
Leider ist die Resonanz verhalten.

Vielleicht auch, weil Jugendlicher mit 14/16/18 noch gar keine klare Vorstellung hat?
Hat oder haben möchte? Ich bin ganz klar der Meinung, dass die Jugendlichen gar keine Lust mehr auf Interessenfindung hat. Einige ja, die meisten träumen in den Tag, und hoffen das alles von selbst irgendwann gut wird. Wir haben uns selbst mit überschwänglicher Toleranz zu dieser Situation hinmanövriert.
Wir verschwenden zum Beispiel mehr Zeit fürs Gendern als für wichtige Dinge. Der Fokus ist komplett verschoben.

Was wichtig ist und was nicht, kann man bestimmt differenziert sehen. Ich finde ebenso einen angemessenen Lohn wichtig. Übel stößt mir jedoch auf, dass, wenn ich plötzlich die Werkstatt betrete, alle irgendwo sitzen, auf ihr Handy starren und urplötzlich hochbeschäftigt aufspringen.
Da bin ich richtig motiviert, mehr Lohn zu zahlen. Das fällt mir leider immer mehr auf.
Der Ruf nach höherer Vergütung ist auf dem Höchststand, die Motivation, Verlässlichkeit und Arbeitsmoral auf dem Tiefpunkt. Schade.
 

fahe

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Finde das Konzept der PA aber super.
...sollte man aber nun auch nicht verklären. Auch dort gab es sicher an vielen Stellen Schatten.

Ich selbst war in der elften mal ein halbes Jahr am Motorenmontageband bei Robur. Es hat keinen Menschen dort auch nur die Bohne interessiert, dass wir überhaupt da waren. Wir haben da nichts gelernt, außer die immer gleichen Teile an den Motorenblock zu nageln... und waren ansonsten nur noch billigere Arbeitskräfte, als die dort mitarbeitenden Mosambikaner. Eben erst festgestellt, dass man das heute wohl so sagt, während uns seinerzeit eingetrichtert wurde, Mosambiker zu Mosambikaner verhalte sich so wie Pole zu Poll**e.

Danach war ich ein Jahr im robureigenen Ratiomittelbau. Das war wirklich ein bisschen Schule fürs Leben. Tolle Fachleute, die sich trotz Stress Zeit genommen haben... und sich auch gefreut haben, wenn uns die Dinge nach dem zweiten, dritten Mal leicht von der Hand gingen. Ich hab' dort nicht nur richtig Feilen gelernt...:emoji_wink:

ESP war abgesehen vom technischen Zeichnen ja nun wirklich ein Hassfach für alle Beteiligten. Die Schüler fanden es öde, das Lehrerkollegium nahm den/die armen "Lehrerkollegen/in" aus der Sparte Polytechnik nicht wirklich ernst... und der/die kann auch nicht so glücklich gewesen sein.

Ich selbst habe nur eine einzige gute Erinnerung daran, dass es dieses Fach im Osten gab... Das ist aber eine längere Geschichte, die auch nur mit diesem Ruf zu tun hat... :emoji_wink:

Ich bin ganz klar der Meinung, dass die Jugendlichen gar keine Lust mehr auf Interessenfindung hat.
Doch. Die ist schon abgeschlossen, wenn die erst einmal bei Dir inner Holzbutze auftauchen. Du bist aber nur zweite Wahl.
Eigentlich wollten sie Content Creator, Influencer, Evangelist oder Speaker werden... Oder noch besser Tochter oder Sohn bleiben. :emoji_joy:

Sorry, für die vermeintlich von einfachem Geist getragene Weltsicht. Natürlich sind das nicht alle. :emoji_sunglasses: Aber viele.

Ich merke bei jungen Leuten zunehmend, dass sie Verantwortung, Wichtigkeit und entsprechende Titel wollen. Kriegen sie bei uns auch relativ schnell. Also auch Verantwortung. Nicht nur Titel wie Gaddafi und der erhabene Dicke in Nordkorea.

Nur wirklich Verantwortung übernehmen wollen dann doch deutlich weniger. War in den Staaten aber schon vor zehn Jahren so. Sind alle Manager. Aber keiner will was entscheiden... oder gar den Rücken dafür hinhalten.

Heute sind auch Sachbearbeiter schlichten Gemüts deswegen oft "Manager". In vorinflationären Zeiten waren damit auch viele zufrieden und haben nicht einmal nach mehr Gehalt gerufen. Langsam kriegen aber auch die offenbar mit, dass die Brötchen teurer geworden sind... :emoji_joy:
 
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seschmi

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Mal zwei Zahlen: 1963 gab es in Deutschland 1,35 Millionen Geburten. Die sind jetzt 60 und gehen demnächst in Rente. 2003 gab es 700 Tausend. Die sind 20 und stehen am Beginn des Arbeitslebens. Also etwas mehr als halb so viele Geburten.

Da ist es ziemlich logisch, dass das nicht aufgeht. Und das wird sich auch noch verschärfen, weil das Ungleichgewicht seitdem in jedem Jahr so ist.

Also muss man sich überlegen, wie man damit umgeht. Das betrifft jede Branche. Ärzte gibt’s ja auch zu wenig.
 

Lorenzo

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Das Problem mit dem Handwerk ist extrem vielschichtig und der Weg dahin wo wir jetzt sind hat schon vor Jahrzehnten begonnen. Man kann das nicht den jungen Leuten anlasten die jetzt in der Schule oder gerade erst raus sind. Wie lange wurde in Deutschland nur ein Abi und ein Studium hoch angesehen und wird es auch jetzt noch?

Ohne Akademiker gings aber auch nicht, also hilft ein pauschales verurteilen überhaupt nichts.

Ich hab selbst studiert, und hab für die Entscheidung nen ganz anderen Weg einzuschlagen lange gebraucht und mich immer wieder mal gefragt ob ich bescheuert bin. Erwartungshaltungen anderer, gesellschaftlicher Druck, und die Frage was einen zufriedener macht, haben da eine große Rolle gespielt. Ich hab für mich festgestellt dass Geld kein guter Ausgleich ist, für eine Tätigkeit die in meinem Fall keine Zufriedenhiet gebracht hat, und in der ich zu viele negative Aspekte gefunden hab die durch das Kaufen von Dingen kompensiert wurde die ich nicht gebraucht hab. Was wiederum negative Auswirkungen hat...

Deutschland hat nen krassen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, und Jobs geschaffen die bei weniger Anstrengung, besseren Arbeitszeiten, mehr Urlaub und mehr gesellschaftlichem Ansehen auch noch viel besser bezahlt werden. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Alles was ausgelagert werden konnte haben wir ausgelagert. Handwerker aus den Nachbarländern, Produktion vor allem in Asien. Jobs mit sehr geringem Ansehen haben Einwanderer gemacht. Die kucken auch nicht nur die ganze Zeit zu wie andere immer reicher und gemütlicher werden und sich Dinge leisten können die sie selbst nur produzieren dürfen...

Außerdem sieht man dass die Produktion und das dafür notwendige Handwerk Basis für den Wohlstand einer Gesellschaft sind. Wir haben hier die Basis vernachlässigt, und anderswo stieg der Wohlstand. Wissen wächst schnell, so haben im Know-how, auf das wir uns sehr lange verlassen haben, andere aufgeholt und uns überflügelt. Ganz normale Vorgänge, die schon x-fach in der Vergangenheit eingetreten sind. Made in Germany war eigentlich ein Stigmata dass man den deutschen Produkten aufdrücken wollte um die Leute davor abzuhalten das Zeug zu kaufen. Die Produkte kamen damals durch die selben Mechanismen zustande die heute im großen Stil denen vorgeworfen wird die an Macht und Einfluss gewinnen. Allen voran China. Die Vorlage haben auch wir geliefert. Man sollte sich immer auch selbst an die Nase fassen und einsehen dass es alle Menschen gern gemütlich, warm, und komfortabel haben, am besten mit wenig Aufwand und nem vollen Bauch. Dann noch umgeben von den schönen Dingen die es heute so gibt....

Einige der Probleme lassen sich wohl nie dauerhaft aus der Welt schaffen. Unterschiedliche Jobs werden wahrscheinlich immer auch unterschiedliches Ansehen genießen. Und in gewisser Weise ist eine unterschiedliche Bezahlung angemessen. Aber die Verhältnismäßigkeiten müssen drastisch angepasst werden. Sowohl in der Entlohnung als auch im gesellschaftlichen Ansehen. Das muss an den Schulen, und zwar an allen Schulen, egal ob da staatlich, Montesori, Waldorf oder sonst was davor steht. Die Bezahlung im Handwerk wird schon etwas angepasst, leider nur aufgrund der Notwendigkeit weil den Job halt irgendwer machen muss. Gleichzeitig müssen auch Löhne in anderen Bereichen nach unten korrigiert werden. Denn am Ende sollte es eigentlich ziemlich egal sein auf welche Art und Weise man seinen Beitrag leistet. Unterschiedliche Jobs erfordern unterschiedliche Begabungen und Interessen.

Wenn heutzutage Kids Händis für 1000€ in der Tasche haben und sich damit Influenzer anschauen, die ihr vieles Geld mit dem Labern über andere Influenzer verdienen dann ist klar dass der Weg weit ist. Und alle wird man da nicht mitnehmen können. Aber die Kids sind daran auch nicht selber schuld. Was am wenigsten hilft ist immer nur auf andere zu zeigen. Ich glaub aber dass ein Umdenken auch langsam stattfindet.
Ich kenn relativ viele Umsteiger die mehr Geld verdienen könnten wenn sie nicht umgestiegen wären.
 
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seschmi

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Ich habe schon mit „Fachkräften“ aus dem Ausland arbeiten dürfen. Ich bin auf jeden Fall geheilt. Derzeit waren fünf angemeldet, keiner kam, dann wurden Dolmetscher gefordert, Fahrdienst gefordert und verkürzte Arbeitszeiten. Wir sind dann darauf eingegangen und überrascht worden, denn wieder kam niemand.
Das waren Leute aus der Ukraine und Syrien.
Dazu muss ich aber sagen das wir zwei Vietnamesinnen haben, die sind sehr fleißig und sprechen nach jetzt 8 Monaten ganz gut unsere Sprache.

Wurden die gezielt angeworben und von wem? Oder wie seid ihr auf die gekommen?

Ich kenne halt eher die Situation in der Industrie - in großen Betrieben werden Stellen einfach global ausgeschrieben, ist heute ja technisch kein Problem mehr. Dann bewerben sich mehr oder weniger qualifizierte Menschen aus verschiedenen Ländern, die guten stellt man dann ein und besorgt eine Arbeitserlaubnis, falls nötig.

Es gibt ja auch in anderen Ländern qualifizierte Schreiner, für die Deutschland attraktiv ist, denke ich.

Mir ist nur nicht klar, ob es das schon gibt und wie sowas im Handwerk laufen soll, wo die meisten Betriebe eher klein und lokal sind und nicht so einfach zum Beispiel in Südeuropa anwerben können. Gibt es da Aktivitäten der Verbände, z.B. HWK?

In der Industrie geht es gar nicht mehr anders in vielen Branchen. Schau mal in eine beliebige Softwareentwicklung. Da findet man einen bunten Mix an Nationalitäten, und oft sind das die besten Leute.
 
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